Delete: Thriller (German Edition)
während sie sich an ihren mehr als mannshohen Hellebarden festhielten, die sie im Ernstfall wohl eher behindern würden.
Eisenberg saß mit Varnholt und Morani an einem Tisch in der Mitte des Raums. Obwohl er einen Laptop vor sich aufgestellt hatte, war es offensichtlich, dass er nicht hierher gehörte: als wäre er in einem Orkkostüm beim Wiener Opernball erschienen. Klausen und zwei Bereitschaftspolizisten hatten sich Ordnerkostüme übergezogen und standen verteilt nahe des Eingangs und der Notausgänge. Zwei weitere Einsatzkräfte waren außerhalb der Halle positioniert.
»Kommt Ihnen irgendwer verdächtig vor?«, fragte Eisenberg.
Morani schüttelte den Kopf.
Aufmerksam musterten sie die Neuankömmlinge, die einer nach dem anderen aus dem Eingangsbereich traten, sich suchend umsahen und dann auf einen der Tische zustrebten. Manche hatten sich kostümiert, doch die meisten trugen Jeans oder Kakihosen und Sweatshirts. Nahezu alle hatten Rucksäcke oder Laptoptaschen dabei. Kaum einer schien älter als dreißig. Der Anteil der Männer überwog deutlich. Niemand machte Anstalten, sich mit an Eisenbergs Tisch zu setzen.
Wenn der Täter hier im Raum war, konnte er ihn nicht ausmachen. Er hoffte, dass sich der Mann durch verdächtiges Verhalten bemerkbar machen würde, sobald er Eisenberg erkannte. Doch bisher war nichts dergleichen geschehen. Im flackernden Licht der Bildschirme und Projektoren waren die Gesichtszüge der Eintreffenden allerdings auch nur undeutlich zu erkennen.
Wahrscheinlich war die ganze Idee ein Reinfall. So logisch Varnholts Gedanke ihm auch im ersten Moment vorgekommen war, so unwahrscheinlich erschien es ihm nun, dass der Täter hier auftauchte. Er musste wissen, dass die Polizei mit seiner Anwesenheit rechnete. Außerdem gab es jede Menge anderer Möglichkeiten für spektakuläre Aktionen. In der nächsten Woche stand eine Konferenz der EU-Außenminister an, die jedoch so gut abgeschirmt wurde, dass ein Einzeltäter kaum eine Chance hatte, sie als Bühne zu benutzen. Zwei Wochen später fand der Berlin-Marathon statt, bei dem man trotz erhöhter Sicherheitsvorkehrungen nach dem Anschlag von Boston kaum verhindern konnte, dass jemand dieses Großereignis als Bühne nutzte. Weitere potenzielle Ziele waren die Berlinale sowie regelmäßige Ereignisse wie Konzerte, Musical- und Theaterpremieren, Vernissagen und Kundgebungen. Alles in allem viel zu viele, um überall dabei zu sein.
Er sah auf die Uhr. Bis zum offiziellen Start der Veranstaltung um 19.00 Uhr waren es noch elf Minuten. Allmählich ließ der Zustrom der Besucher nach. Die Ordner schlossen die großen Türen. Die letzten Teilnehmer suchten sich ihre Plätze und klappten ihre Laptops auf. Alle Tische waren gut besetzt, nur an Eisenbergs Tisch waren noch Plätze frei. Insgesamt waren gut tausend Personen im Raum. Die Karten für die WizCon waren seit Monaten ausverkauft.
Die meisten Lichter und auch die Laserprojektionen an den Wänden erloschen. Musiker in wilden Fantasy-Kostümen betraten die Bühne. Jubel brandete auf und wurde kurz darauf von einem brachialen Heavy-Metal-Sound übertönt. Während Morani sich die Hände auf die Ohren presste, glaubte Eisenberg, im Lärm die Titelmelodie des Spiels wiederzuerkennen.
Das Eröffnungskonzert war barmherzig kurz. Eisenberg schmerzten dennoch die Ohren, als die Band von tosendem Beifall begleitet die Bühne verließ und John McFarren Platz machte.
»Liebe Freunde, dear friends, welcome to the Eighth Gorayan Wizard’s Convention !« Er begrüßte einige der anwesenden Vertreter der Spieleindustrie persönlich und hielt dann eine längere Rede auf Englisch, in der er das neue World of Wizardry - Release als einen »Meilenst ein der Spieleentwicklung« anpries. Es folgte eine Videoeinspielung, die offenbar die neuen Features vorstellte und hin und wieder begeisterte Ausrufe und Beifall des Publikums hervorrief. Eisenberg hätte allerdings nicht sagen können, was an dem neuen Release gegenüber der bisherigen Version anders war.
Als sich die Begeisterung gelegt hatte, wechselte McFarren ins Deutsche.
»Ich komme nun zum nächsten Programmpunkt und freue mich, dass wir auch dieses Jahr wieder den großen Chronisten der Ereignisse auf Goraya bei uns begrüßen dürfen. Viele von euch kennen ihn als Grob Kradonkh, den Wirt der Taverne Zum freundlichen Oger . Jeder kennt ihn als den Autor der Chroniken der Drei Augen . Bitte begrüßt mit mir Ole Karlsberg, der nun aus seinem
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