Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
gedient?«
»Ja, Herr.«
»Wo?«
»In Stambul.«
»Wohlan! Ich sehe, daß du wenigstens noch fähig bist, die Wahrheit zu bekennen, und daher will ich dich nicht der Rache der Haddedihn übergeben.«
»Thue es nicht, Effendi! Meine Seele wird dich dafür segnen!«
»Behalte deinen Segen! Wie ist dein Name?«
»Alexander Kolettis.«
»Du trägst einen berühmten Namen, aber du hast mit demjenigen, der ihn früher trug, nichts gemein. Bill!«
»Sir!« antwortete der Gerufene.
»Kannst du eine Wunde verbinden?«
»Das nicht, Sir, aber ein Loch verknüpfen, das kann ich wohl.«
»Knüpfe es ihm zu!«
Der Grieche wurde von dem Engländer verbunden. Wer weiß ob ich nicht anders gehandelt hätte, wenn ich damals gewußt hätte, unter welchen Umständen ich diesen Menschen später wiedersehen sollte. Ich wandte mich zu dem gefesselten Scheik:
»Eslah el Mahem, du bist ein tapferer Mann, und es thut mir leid, einen mutigen Krieger gefesselt zu sehen. Willst du mir versprechen, stets an meiner Seite zu bleiben und keinen Versuch zu machen, zu entfliehen?«
»Warum?«
»Dann werde ich dir deine Fesseln abnehmen lassen.«
»Ich verspreche es!«
»Bei dem Barte des Propheten?«
»Bei dem Barte des Propheten und dem meinigen!«
»Nimm deinen Leuten dasselbe Versprechen ab!«
»Schwört mir, diesem Manne nicht zu entfliehen!« gebot er.
»Wir schwören es!« ertönte die Antwort.
»So sollt ihr nicht gebunden werden,« versprach ich ihnen.
Zugleich löste ich die Bande des Scheik.
»Sihdi, du bist ein edelmütiger Krieger,« sagte er. »Du hast nur unsere Tiere töten lassen, uns aber verschont. Allah segne dich, obgleich mein Pferd mir lieber als ein Bruder war!«
Ich sah es seinen edlen Zügen an, daß diesem Manne jeder Verrat, jede Gemeinheit und Treulosigkeit fremd war, und sagte zu ihm:
»Du hast dich zu diesem Kampfe gegen die Angehörigen deines Volkes von fremden Zungen verleiten lassen; sei später stärker! Willst du dein Schwert, deinen Dolch und deine Flinte wieder haben?«
»Das thust du nicht, Effendi!« erwiderte er erstaunt.
»Ich thue es. Ein Scheik soll der Edelste seines Stammes sein; ich mag dich nicht wie einen Huteijeh oder wie einen Chelawijehbehandeln. Du sollst vor Mohammed Emin, den Scheik der Haddedihn, treten wie ein freier Mann, mit den Waffen in der Hand.«
Verachtete Stämme, die zum Pöbel gerechnet werden, ungefähr wie die Paria in Indien.
Ich gab ihm seinen Säbel und auch die anderen Waffen. Er sprang auf und starrte mich an.
»Wie ist dein Name, Sihdi?«
»Die Haddedihn nennen mich Emir Kara Ben Nemsi.«
»Du ein Christ, Emir! Heute erfahre ich, daß die Naßarah keine Hunde, sondern daß sie edelmütiger und weiser sind als die Moslemim. Denn glaube mir: mit den Waffen, die du mir wiedergiebst, hast du mich leichter überwunden, als es mit den Waffen geschehen könnte, die du bei dir trägst und mit denen du mich töten könntest. Zeige mir deinen Dolch!«
Ich that es. Er prüfte die Klinge und meinte dann:
»Dieses Eisen breche ich mit der Hand auseinander; siehe dagegen meinen Schambijeh!«
Er zog ihn aus der Scheide. Es war ein Kunstwerk, zweischneidig, leicht gekrümmt, wunderbar damasciert, und in arabischer Sprache stand zu beiden Seiten der Wahlspruch: »Nur nach dem Sieg in die Scheide.« Er war gewiß von einem jener alten, berühmten Waffenschmiede in Damaskus gefertigt worden, welche heutzutage ausgestorben sind und mit denen sich jetzt keiner mehr vergleichen kann.
»Gefällt er dir?« fragte der Scheik.
»Er ist wohl fünfzig Schafe wert!«
»Sage hundert oder hundertfünfzig, denn es haben ihn zehn meiner Väter getragen, und er ist niemals zersprungen. Er sei dein; gieb mir den deinigen dafür!«
Das war ein Tausch, den ich nicht zurückweisen durfte, wenn ich den Scheik nicht unversöhnlich beleidigen wollte. Ich gab also meinen Dolch hin.
»Ich danke dir, Hadschi Eslah el Mahem; ich werde diese Klinge tragen zum Andenken an dich und zu Ehren deiner Väter!«
»Sie läßt dich nie im Stiche, so lange deine Hand fest bleibt!«
Da hörten wir den Hufschlag eines Pferdes und gleich darauf bog ein Reiter um den Felsenvorsprung, welcher unser Versteck nach Süden abschloß. Es war kein anderer als mein kleiner Halef.
»Sihdi, du sollst kommen!« rief er, als er mich erblickte.
»Wie steht es, Hadschi Halef Omar?«
»Wir haben gesiegt.«
»Ging es schwer?«
»Es ging leicht. Alle sind gefangen!«
»Alle?«
»Mit ihren Scheiks!
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