Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
wird am darauffolgenden Prozesstag zur Sprache kommen.
Befragt wird auch jener Freund von Andreas, der mit ihm im Sommer 2008 die rund 650 Kilometer auf dem Jakobsweg gewandert war. Er nennt Familie H. eine »Bilderbuchfamilie«.
Ob er sich von Andreas »getäuscht« fühle, fragt der Richter. »Ja, auf jeden Fall«, antwortet der ehemalige Freund.
Insgesamt elf Zeugen werden an diesem Tag aussagen, darunter der Wirt des Naturfreundehauses im Allgäu, eine Kommilitonin von Ann-Christin und Andreas’ Taufpatin.
Ein zweites Mal seit Prozessbeginn spricht Frederik. Nichts scheint ihn bisher tiefer berührt zu haben, aber nun kann er nicht mehr an sich halten: Als einer seiner ehemaligen Freunde berichtet, dass Frederik schon immer anders als die anderen gewesen sei; erzählt, wie Frederik einmal einen Tisch umgeworfen habe oder einen Mitschüler mit der Faust schlug.
Tim W. spricht davon, dass Frederik unberechenbar gewesen sei, und dass er selbst im Oktober 2008 anonym bei der Polizei angerufen habe, um sie darauf aufmerksam zu machen, dass Frederik für den Einbruch im Schützenverein verantwortlich sein könne.
Warum er ausgerechnet Frederik verdächtigt habe, wollen Staatsanwalt und Richter wissen. »Es war schon immer so eine seltsame Aura um Frederik«, antwortet Tim W. und fügt hinzu: »Wir hatten einfach Schiss, dass Frederik, falls er die Waffen gestohlen hat, etwas damit macht, was uns nicht zusagt.«
Frederik B. berät sich mit seinem Anwalt, bittet diesen, dem Gericht mitzuteilen, wie die Clique ihn ausgegrenzt habe, aber der Anwalt will, dass Frederik es dem Ex-Freund selbst sagt, und so berichtet Frederik nun dem Gericht davon, wie er von gemeinsamen Unternehmungen ausgeschlossen worden ist.
9. Prozesstag: Mittwoch, 16. Dezember 2009
»Leben wie im Film«
Weihnachten rückt näher. Ein Ende im Prozess um die Morde an den vier Familienmitgliedern ist noch lange nicht in Sicht. Eine stimmige Erklärung, ein Motiv sind es auch nicht.
Auch heute sind wieder Zeugenbefragungen geplant, darunter ist auch der Nachlassverwalter der Familie H. Das Vermögen der getöteten Familie beläuft sich nach seinen Angaben auf rund 800000 Euro, darunter befinden sich das Konto in der Schweiz, aber auch zwei Häuser in Eislingen und Süßen, eine Wohnung, zwei Grundstücke und diverse weitere Konten.
Danach werden Briefe von Frederik B. verlesen. Er hat sie erst kürzlich in der Untersuchungshaft verfasst und seinem Anwalt übergeben. »Ganz Deutschland weiß, was wir getan haben. Auf meine Familie wird mit dem Finger gezeigt, ich habe auch ihr Leben zerstört«, schreibt der Angeklagte. Er schildert, dass Andreas H. seine Familie gehasst habe. Er selbst habe zwar vorher gewusst, was passieren werde, aber sie hätten sich gefühlt »wie in einem Film«.
»Ich kann kaum fassen, dass wir das alles für einen Scheiß-Witz gehalten haben. […] Während andere solche Filme geschaut haben, haben wir es getan«, beschreibt Frederik die Taten. Ihre Bedenken hätten sie »mit einem Witz oder lockeren Spruch abgetan«. Ja, Frederik will sogar davon wissen, dass Andreas bei den Planungen darüber gewitzelt hat, ein Buch über die Tat zu schreiben, wenn er im Gefängnis sitze. Vielleicht sei das aber auch nur eine Möglichkeit gewesen, das Furchtbare der geplanten Taten auszuhalten.
Doch der Plan, die Morde zu verschleiern, ging noch weiter: Die Vorgänge am Vormittag des Karfreitags nennt Frederik die »Wir-haben-sie-tot-gefunden-Schau«. Die Rettungssanitäter und ein Polizist, die vor Gericht zu der Auffindesituation der Leichen, aber auch zum Geschehen am Tatort vernommen werden, sagen, sie hätten die beiden Angeklagten damals eindeutig als Opfer gesehen. Andreas soll noch am Tatort zu einer Sanitäterin gesagt haben: »Wäre ich da gewesen – vielleicht hätte ich’s verhindern können. Ich bring die um, wenn ich die in die Finger bekomme.«
Mit diesen Details werden Planung und Ablauf der Tat immer klarer, nur die Frage nach dem Warum ist damit noch immer nicht geklärt. Erst jetzt – Anfang Dezember – will Frederik begriffen haben, was die Taten bedeuteten, so schreibt er es jedenfalls in einem der Briefe. Vorher habe er sich keine Gedanken darüber gemacht: »Ich habe nie daran gedacht, wie viele Menschen ich damit unglücklich mache.«
Vertreter von Vereinen, in denen Andreas H. Mitglied war, sagen auch als Zeugen aus. Der Jugendleiter der Schützengilde Eislingen berichtet dem Gericht, dass Andreas der
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