Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
»Gute-Laune-Bär« gewesen sei. Man habe volles Vertrauen zu dem fröhlichen jungen Mann gehabt. Niemand habe Andreas und Frederik nach dem Einbruch verdächtigt.
Auch ein Bekannter der Familie wird befragt. Am Tatabend saß er mit Andreas’ Eltern im Marstall und erinnert sich nun daran, wie Andreas und Frederik dort erschienen. »Man hat ihnen nichts angemerkt. Andreas war gut gelaunt.« Nach 30 Minuten seien sie wieder gegangen. »Auffällig« habe er es im Nachhinein nur gefunden, dass Andreas seine Eltern »sehr herzlich begrüßte und verabschiedete«.
Der gleiche Zeuge erzählt auch vom 18. Geburtstag des Sohnes und dem »Geschenk« – einem Besuch im Bordell. Er selbst sei dabei gewesen, als der Vater dem Sohn eine Uhr kaufte, anschließend seien sie in das Etablissement in Esslingen gefahren. »Über den Sinn kann ich nur spekulieren, der Vater wollte dem Sohn das offenbar zeigen.« Zu dritt seien sie durch das Bordell gelaufen, wo Vater und Sohn eine Viertelstunde lang die Mädchen »begutachtet« hätten, dann seien sie wieder gegangen. Zu eben jener »leidigen Bordellgeschichte«, wie es Andreas’ Anwalt ausdrückt, ist Andreas bereits unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt worden. Was er selbst vom dem »Geburtstagsgeschenk« gehalten hat, erfährt die Öffentlichkeit somit nicht.
Am Abend dieses Tages sind Frederiks Eltern bei Stern-TV zu Gast. Millionen sehen die Sendung. »Wenn der Sohn ein Mörder sein soll«, ist das Thema untertitelt. Was bewegt die Eltern eines geständigen Mörders dazu, im Fernsehen aufzutreten?
Die Mutter sieht verhärmt aus. Strähnig hängen die kurzen Haare bis zu den Ohren. Sie beschreibt ihren Sohn. Ruhig, zurückhaltend, hilfsbereit und äußerst tierlieb sei er. Die Quälereien, die die beiden der Nachbarskatze, der Gans und anderen Tieren angetan haben, will sie wohl nicht wahrhaben. Dass ihr Sohn für Geld getötet haben soll, kann die Mutter auch nicht glauben. Frederik sei »sehr bescheiden« gewesen, sagt sie in der Fernsehsendung. »Er hat sich an Kleinigkeiten erfreut.«
Für sie steht fest: »Die Freundschaft zu Andreas war ihm das Wichtigste. Andreas war Frederiks großes Vorbild.« Die Morde habe er aus Freundschaft begangen. Dass sich Frederik oft ausgegrenzt fühlte, davon hat sie vor der Tat nichts gewusst. Ein Widerspruch, denn im gleichen Interview äußert die Mutter, dass er »eher ein Einzelgänger gewesen« sei. Die Taten seien für sie »unbegreiflich«. Andreas und ihr Sohn hätten ein perfektes Doppelleben geführt. Sie habe ihm auch nie etwas angemerkt, nicht einmal, als sie sich mit dem Sohn über den Einbruch im Schützenhaus unterhält.
Der Vater ist wortkarg. Er »knabbere daran«, dass Frederik sie »so tief in Leid gestürzt« habe. »Wenn sie damals schon erwischt worden wären, wäre es damals schon zu Ende gewesen«, sagt er.
Trotzdem wollen die Eltern ihren Sohn im Prozess weiter unterstützen. »Wir trennen die Tat ganz klar von dem Menschen Frederik«, sagt Frederiks Mutter. Und fügt hinzu: »Wir haben nicht darüber zu richten.«
Auch Frederiks Verteidiger ist bei der Sendung anwesend. Er betont, dass sein Mandant nach Jugendstrafrecht verurteilt werden müsse.
10. Prozesstag: Montag, 21. Dezember 2009
Dies wird der letzte Prozesstag vor Weihnachten sein. Andreas und Frederik werden die Feiertage im Gefängnis verbringen. Aber heute müssen sie noch einmal vor Gericht erscheinen.
Es ist mittlerweile ein gewohntes Bild für die wenigen Prozessbeobachter: Andreas H. sitzt auf der Anklagebank, an den Knöcheln die Fußfessel. Er ist adrett gekleidet, wie die bisherigen Prozesstage auch. Während der Zeugenvernehmungen, während des gesamten Verfahrens schreibt er. Er kritzelt und kritzelt. Was er da schreibt weiß niemand, außer vielleicht sein Verteidiger, der neben ihm sitzt. Ist es überhaupt ein sinnvoller Text? Oder tut Andreas H. nur so, damit das Gericht ihn für einen aufmerksamen Zuhörer hält? Oder schreibt er womöglich, damit er niemanden ansehen muss?
Frederik, sein Mittäter, schreibt hingegen gar nichts. Auch seine Füße sind aneinander gekettet. Frederik schaut auch nicht zu den Anwesenden, Frederik schaut nach unten. Immer schaut er zu Boden. Hört Frederik zu?
Aber etwas ist doch anders an diesem Montag. Heute hat Andreas ein blaues Auge. Haben Mitgefangene den Mörder verprügelt? Der Richter fragt nach. Andreas tut kund, er habe »einen Unfall« gehabt. »Im Gefängnis gibt‘s halt manchmal
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