Demolition
Seine Hände, die Tastaturen eines Multi-Schreibers, schwebten über Papierrollen, allzeit bereit, jedermann Logik einzuhämmern. In seiner Eigenschaft als Mosaic Multiplex Prosecution Computer des Staatsanwalts fällte Vater Moses Entscheidungen, die Ehrfurcht erheischten und die Vorbereitung, Ausarbeitung und Abwicklung eines jeden Gerichtsfalles maßgeblich beeinflußten.
»Wir brauchen Vater Moses nicht sofort zu bemühen«, erklärte Powell dem Staatsanwalt. »Wir wollen uns erst einmal die Modellanlage anschauen und den Tathergang mit dem Zeitplan des Verbrechens vergleichen. Die Kalkulationen liegen Ihrem Sekretariat vor. Beachten Sie gegenwärtig lediglich die Bewegungen der Figuren. Falls Ihnen etwas auffällt, das wir versäumt haben, notieren Sie's sich bitte, dann können wir die Klärung veranlassen.«
Er nickte De Santis zu, dem geplagten Labor-Chef. »Eins zu eins?« erkundigte sich De Santis in nörgelndem Tonfall.
»Das ist ein bißchen zu flott. Lieber eins zu zwei. Halbe Zeitlupe.«
»Die Androiden sehen aber in dieser Geschwindigkeit so unreal aus«, beschwerte sich quengelig De Santis. »Damit wird man ihnen nicht gerecht. Zwei Wochen lang haben wir wie besessen geschuftet, und nun wollen Sie...«
»Macht nichts. Wir bewundern sie später in angemessenem Umfang.«
Powell machte einen Moment lang den Eindruck, als neige er zur Auflehnung, dann drückte er einen Knopf. Im selben Augenblick erhellte sich die Modellanlage, und die Miniatur-Androiden fingen sich zu regen an. Es gab sogar einen akustischen Hintergrund. Ganz leise vernahm man Musik, Lachen und Geschwätz. In der großen Halle des Hauses Beaumont bestieg Maria Beaumont langsam ein Podium, in den Händen ein winzigkleines Buch. »An diesem Punkt ist es 23 Uhr 09«, erläuterte Powell dem Staatsanwalt und dessen Sekretariat. »Beobachten Sie bitte die Uhr über der Anlage. Sie ist so eingestellt, daß sie mit der Halbzeitlupe synchronisiert.« In gespanntem Schweigen verfolgten die Beamten der Staatsanwaltschaft den Handlungsablauf und fertigten sich Notizen an, während die Androiden das Geschehen jener verhängnisvollen Beaumont-Party wiederholten. Noch einmal verlas Maria Beaumont vom Podium im Saal des Hauses Beaumont die Spielregeln des Spiels »Sardinenbüchse«. Nach und nach erloschen im Spielzeughaus alle Lichter. Ben Reich strebte langsam durch den Saal zum Musikzimmer, wandte sich nach rechts, erklomm die Treppe zur Gemäldegalerie, trat durch die bronzene Tür, die zur Orchideen-Suite führte, blendete und paralysierte die Leibwächter der Beaumont und betrat die Suite. Und wieder näherte sich Reich dem alten D'Courtney, drang er auf ihn ein, zog aus der Tasche eine mörderische Schußwaffe mit Dolch und Schlagring daran, zwängte dem Greis mit der Klinge die Kiefer auseinander, während D'Courtney schlaff in seinem Griff hing und keinen ernsthaften Widerstand leistete. Und von neuem flog eine Tür der Orchideen-Suite auf, und in frostweißlichem, durchsichtigen Morgenmantel erschien Barbara D'Courtney. Und sie und Reich umkreisten einander, bis Reich plötzlich D'Courtney durch den Mund in den Hinterkopf schoß. »Den Hergang weiß ich von D'Courtneys Tochter«, erkärte Powell leise. »Durch Hirn-Introvision. Der Ablauf ist also authentisch.« Barbara D'Courtney kroch zum Leichnam ihres ermordeten Vaters, packte die Waffe und stürzte unvermittelt aus der Orchideen-Suite, von Reich verfolgt. Er setzte ihr durchs verdunkelte Haus nach, doch mußte ihm der Anschluß verlorengehen, als sie durch den Vordereingang auf die Straße rannte. Dann traf sich Reich mit Tate, und die beiden suchten das Hauskino auf, täuschten Teilnahme am »Sardinen«-Spiel vor. Das miniaturisierte Drama endete mit dem Sturm der Gäste auf die Orchideen-Suite: die Androidchen versammelten sich in putziger Verblüffung um den winzigen Leichnam. Alles erstarrte zu einem grotesken kleinen Schaubild. Ein ausgedehntes Schweigen schloß sich der Darbietung an, währenddessen die Anwesenden darüber nachsannen. »So weit so gut«, sagte schließlich Powell. »So müssen wir uns den Tathergang vorstellen. Nun wollen wir die Daten unserem Vater Moses eingeben, um seine Meinung zu erfahren. Erster Gesichtspunkt: Gelegenheit. Würde jemand in Abrede stellen, daß das Spiel »Sardinenbüchse« Reich eine einwandfreie Gelegenheit lieferte?«
»Woher soll Reich gewußt haben, daß ausgerechnet dieses Spiel gespielt wird?« fragte der Staatsanwalt
Weitere Kostenlose Bücher