Demudis
ausgemacht.«
»Martin?« In Demudis’ Kopf begann sich ein Zusammenhang zu bilden. »Der Bauernbursche …?« Ohne es zu wollen, machte sie durch diese Frage Bruder Wilhelm zu einem Teilhaber an ihren Nachforschungen. Das aber war das Letzte, was sie wollte.
»Ich weiß nicht, wen Ihr meint«, antwortete Bruder Wilhelm in leichtem Plauderton, als ginge es nicht um einen Mord, »aber es ist an Maria Lichtmess geschehen, wie ich meine.«
»Das Empfehlungsschreiben von Graf Walram«, entfuhr es Demudis. Sie schlug sich auf den Mund. Ich sollte mich hüten, ihm Kenntnis von etwas zu geben, was er noch nicht weiß, dachte sie.
»Wovon sprecht Ihr?« Bruder Wilhelm kam nun anscheinend selbst durcheinander in seinem oder Bruder Hermanns Lügengespinst.
»Das erfuhr ich von Bruder Hinkmar, der den Bauernburschen an Maria Lichtmess eingelassen hat«, erklärte Demudis wohl oder übel. »Und Bruder Hermann ist aufgebrochen, ihrer Familie Bescheid zu geben. Was hat das zu bedeuten?«
»Ihr werdet es erfahren.« Bruder Wilhelm lächelte versonnen.
»Ich möchte es jetzt und hier von Euch erfahren«, beharrte Demudis.
»Das werdet Ihr nicht«, beschied Bruder Wilhelm sie.
»Der Teufel hole Euch, Bruder Wilhelm«, zischte Demudis und erhob sich. Sie hätte nie gedacht, dass sie je einen Kerl für schlimmer als Theoderich Oasterseye halten würde. Jetzt war es so weit. Theoderich, der Gewandmacher, hatte nur ihren Leib geschändet, dieser aber schändete ihren Geist. Demudis fühlte sich hilflos, hilfloser, als sie sich bei dem körperlichen Angriff gefühlt hatte. Wie war es möglich, sich gegen die Überwältigung der Seele zu wehren? Der Herr stehe mir bei!
Gleichwohl hatte sie einen Vorteil erringen können. Denn sie konnte sich nun zusammenreimen, wen Bruder Hermann beschuldigte, als Handlanger von Meister Eckhart gehandelt zu haben: Martin. Aber was sollte Martin mit Meister Eckhart zu tun haben? Wenn Martin gelogen hätte und Schwester Guta ihm nicht zugesagt hätte, seine Herkunft zu bezeugen, so würde Herr Bruno als Täter ausscheiden. Dagegen könnte Martin vom mörderischen Zorn gepackt worden sein. Aber dann würde es sich nicht um eine Verschwörung zum Mord handeln, sondern um eine Tat aus Leidenschaft. Meister Eckhart hätte also damit nichts zu tun. Demudis atmete erleichtert auf.
Nicht unerheblich für die Entscheidung, ob Schwester Guta die Bezeugung zugesagt hatte oder nicht, überlegte Demudis weiter, dürfte sein, ob Martin wahrhaftig der Sohn Adolf von Riehls ist. Diese Frage machte es umso dringlicher, mit Schwester Mathilde in Koblenz und Graf Walram von Katzenelnbogen zu sprechen. Man will jemandem nur die Wahrheit sagen, wenn er im Irrtum befangen ist. Demudis konnte sich Schwester Gutas Hinweis, sie wolle unter anderem einem Walram die Wahrheit sagen, so erklären, dass sie ihm mitteilen wollte, Herr Adolf sei nicht der Vater von Martin.
Es wäre viel eher denkbar, Martin als Mörder in Betracht zu ziehen, wenn man Hechard aus dem Spiele ließe, schloss Demudis beruhigt. Es war bei näherem Hinsehen ganz und gar unerfindlich, wie Bruder Hermann diese Verbindung überhaupt herstellen wollte. Und war es nicht bemerkenswert, dass Adolf von Riehl weder mit seiner ersten Gattin Mathilde noch mit seiner zweiten, Frau Engelradis, ein Kind zu zeugen vermochte, aber mit Schwester Guta? War es näher liegend, von der Unfruchtbarkeit zweier Frauen als eines Mannes auszugehen?
Demudis versuchte, sich Martin als Mörder vorzustellen. Er hatte den Eindruck eines lieben Jungen auf sie gemacht. Aber er war gleichwohl vernarrt in den Gedanken gewesen, Herr von Riehl zu werden. Die drohende Enttäuschung, das nicht zu erreichen, könnte ihn schon zu Unerhörtem angestachelt haben. Wie verhielt es sich mit Anna? Gesetzt, Martin wäre der Würger, wüsste sie davon? Demudis verneinte die Frage bei sich. Anna war darauf bedacht, Martin das Leben auf dem Hof in Katzenelnbogen schmackhaft zu machen. Sie war glücklich mit dem, was Gott ihr zugewiesen hatte.
*
Hinter der Godesburg, am Abend des 6.2.1327
Martin und Anna waren hungrig. Nachdem sie sich von Schwester Demudis getrennt hatten, hatte sie ihr Weg über den Rhein an Köln vorbei von Wesseling bis Bonn geführt. Sie bettelten hier und da, aber es war wenig zu bekommen, weil kaum jemand mehr hatte, als er selbst zum Leben brauchte. Martin griff nach Annas Hand. Hätte er nur auf sie gehört, dann wären sie bereits vor Tagen aufgebrochen und
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