Demudis
hatte, sondern den Grafen, so konnte es durchaus sein, dass er bereits hier gewesen war. Demudis durchfuhr der Schrecken. Was, wenn sie ihn gar hier antreffen würde? Wenn er in Katzenelnbogen schon sein Gift versprüht und den Grafen überzeugt hatte, dass Hechard hinter dem Mord an seiner Buhle gestanden habe? Oder Martin? Martin war ihm geradewegs in die Arme gelaufen. Auch das machte es unwahrscheinlich, dass Martin der Täter war. Denn würde er nach Katzenelnbogen zurückgekehrt sein, wenn er die Mutter getötet hätte, die die Geliebte des Grafen war? So einfältig konnte nicht einmal ein Bauer sein! Oder hatte er nur zu ihr gesagt, er würde zurückkehren, war aber insgeheim geflohen? Dann übrigens müsste auch Anna in sein Vorhaben eingeweiht gewesen sein!
Demudis verscheuchte ihre Angst. Sie musste mit Graf Walram reden, wenn sie je würde herausfinden wollen, warum Schwester Guta erwürgt worden war und von wem. Am Tor meldete sie sich und trug ihr Begehr vor, mit dem Grafen sprechen zu dürfen.
»Wen darf ich dem Grafen melden?«, fragte der Wächter.
»Eine Begine bin ich, und aus dem fernen Köln komme ich«, erklärte sie. »Ich wäre den beschwerlichen Weg nicht durch den Schnee gegangen und hätte dafür auch die Erlaubnis meiner Magistra nicht erhalten, wenn es nicht außerordentlich wichtig wäre …« Demudis setzte nach kurzem Innehalten hinzu: »… für den Grafen.«
»Du musst mir allerdings sagen, worum es geht«, forderte der Wächter. Obwohl es nicht unfreundlich geklungen hatte, machte Demudis einen Schritt zurück, damit er nicht nach ihr greifen konnte. Wie in einem kurzen Schlaglicht sah sie die Hände, die sie packten, die Hände von Theoderich Oasterseye, dem Gewandmacher …
»Hab keine Furcht«, beeilte sich der Wächter sie zu beruhigen. »Es könnte schon sein, dass er dich empfängt, aber was soll ihm gesagt werden?«
»Schwester Demudis heißt man mich. Er kennt mich nicht«, sagte Demudis unsicher, »aber er hat … Geschäfte in Köln, von deren Fortgang er Kunde haben werden will.«
»Geschäfte? Hehe.« Fast schien es Demudis, als sei er belustigt.
Sie wurde ärgerlich. »Das ist bestimmt nicht lustig.«
Der Wächter fühlte sich wohl ertappt. Er nahm sofort Haltung an und straffte sein Gesicht. »Dies sind keine Umstände zum Lachen, gewiss nicht. Warum nun sollte er dir in seiner gramvollen Stunde das Ohr schenken?«
»›Gramvollen Stunde?‹ Was meint Ihr?«, gab Demudis Unwissen vor. »Ich sehe, dass die Burg Trauer trägt, aber weiß nicht den Grund derselben.«
»Wenn du mir nicht sagst, was du vom Grafen willst«, knurrte der Wächter nun ungeduldig, »so werde ich dich unverrichteter Dinge fortschicken.«
Demudis riss sich zusammen. »Bitte, tut das nicht«, flehte sie. »Er wird es wissen wollen und Euch zur Rechenschaft ziehen, wenn Ihr mich nicht vorlasst. Es … es hat mit dem zu tun, weshalb er solche Pein leidet.«
»Köln?«, vergewisserte sich der Wächter.
»Eine Begine aus Köln, Demudis mit Namen«, bestätigte Demudis.
»Warte«, sagte der Wächter.
Er verschwand, und es verstrich eine Weile. Demudis kam es vor, als würde sie festfrieren. Sie trat ungeduldig von einem Bein aufs andere, bis er mit einer Magd zurückkehrte.
»Irmgard«, sagte er, »das ist die Begine aus Köln, die zum Grafen vorgelassen werden will.«
Irmgard hatte ein freundliches rundes Gesicht mit einem prächtigen roten Haarschopf, der unter ihrer Haube hervorlugte. Offensichtlich war sie in guter Hoffnung.
»Wie heißt du?«, fragte sie, küsste Demudis auf die Wange, als würden sie sich schon lange kennen, und griff nach ihrem Arm, um sie über den Hof zu führen. Es war angenehm, die warme Hand am Ellbogen zu spüren.
»Schwester Demudis«, antwortete Demudis, erleichtert, einen Schritt weitergekommen zu sein, und erwiderte den Kuss.
»Demudis«, sagte die Magd Irmgard, »ein hübscher Name. Du bist durch den Schnee gegangen und musst ganz durchgefroren sein, du Arme.«
»Es geht schon«, sagte Demudis angenehm überrascht von der Zutraulichkeit der Magd. »Danke, dass du so fürsorglich bist.«
»Der Graf ist der beste Mann, den es auf Erden gibt«, erzählte Irmgard. »Er ist gut zu uns und auch zu den Bauern. Er sorgt sich um sie, weißt du, weil es doch wieder ein so schlimmer Winter ist. Aber jetzt …«, Demudis sah, wie Irmgard plötzlich die Tränen aus den Augen quollen, »… jetzt ist er so untröstlich. Ich fürchte fast, es wird ihm das Herz
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