Demudis
ermahnte sich Demudis, er soll der Wahrheit ins Auge sehen, welche es auch immer sein mag. Er hat es nicht verdient, geschont zu werden, ebenso wenig wie Bruder Hermann. Sie sprach es unbarmherzig aus:
»Er hat Schwester Guta angeklagt, mit … mit … einem Prediger, Herr Graf, wie soll ich sagen? Ein weiser, sehr alter Prediger … das hat er gesagt.«
»Guta machte, was sie wollte.« Der Graf war jetzt ganz kleinlaut.
Er ist ja kein Tor, dachte Demudis und vollendete, was sie begonnen hatte: »Darum hat sie sich Bruder Hermann offenbart, damit er ablässt von seinem Tun, aber stattdessen hat er …« Demudis verkniff sich wohlweislich, den Satz mit ihrer Vermutung zur bitteren Neige auszusprechen.
Von der Aufopferung
Je größer die Liebe, umso heiliger der Dulder.
Mechthild von Magdeburg
Köln, Predigerkloster, am Mittag des 12.2.1327
Mein schwerster Gang, dachte Hanß, als er sich in der Empfangsstube des Predigerabtes dem gegenübersetzte, der Meister Eckhart oder von den Beginen gar Hechard genannt wurde. Abt Norbert hatte darauf bestanden, Zeuge des Gespräches zu sein. Das machte es nicht einfacher. Das Misstrauen herrschte überall, Hanß konnte es ihnen nicht verdenken, er hatte ja selbst mitgeholfen, es zu säen. Er hatte den Meister zum Zeichen seiner Unterwürfigkeit auf die Wange geküsst, der Kuss war jedoch nicht erwidert worden. Hanß musste zugeben, dass er es auch nur widerwillig getan hatte.
Keiner sagte etwas. Die vier Augen der Predigermönche waren in starrer Anklage auf ihn geheftet. Wie die seines Vaters. Vor langer Zeit. Hanß überlegte, ob er die ganze Angelegenheit nicht abblasen und auf sich beruhen lassen sollte. Schließlich hatte er nur ein Auge, um zurückzustarren. Und das war einfach ungerecht.
»Ich bedaure sehr die …«, Hanß suchte nach dem richtigen Wort, »… Unannehmlichkeiten, die Euch widerfahren, Bruder Eckhart.«
»Ihr seid der Urheber derselben!«, rief Abt Norbert entrüstet.
Er hatte doch zugesagt, als stummer Zeuge dem Gespräch zu folgen, dachte Hanß wütend, aber wiederholte einfach: »Ich bedaure sehr.« Er wusste nicht, was er sagen, wie er anfangen sollte. Es breitete sich eine unendliche Leere in seinem Kopf aus, und bleierne Müdigkeit legte sich ihm auf die Glieder. Ihm fehlte die Kraft, sich zu wehren und darauf hinzuweisen, dass es vor allem ein Prediger war, der gegen Meister Eckhart hetzte!
»Mich ficht es nicht an, wenn jemand meine Lehre rügt«, sagte Meister Eckhart sehr langsam und bedächtig. »Was ich sage, sage ich als Mensch. Für die Erfahrung, die die christliche Seele in der Vereinigung mit dem Herrn macht, gibt es keine Worte. Sie sind alle hohl und stumpf gegen die ganze Fülle der Freude, die die Einheit mit dem dreieinen Gott der Seele bereitet. Meine Worte sind nicht genug dafür, und ich bitte den Herrn inständig, dass mir jemand nachfolgen möge, der würdiger ist und die besseren und geschickteren Worte von Gott eingegeben bekommt.« Meister Eckhart wandte sich an Abt Norbert: »Vielleicht Bruder Tauler oder Bruder Seuse. Ich setze sehr große Hoffnungen in sie. Du musst sie unterstützen und fördern, wenn ich dereinst nicht mehr bin …«
»Gebe Gott, dass das noch lange hin ist!«, warf Abt Norbert ein.
»Wir sollten nicht am irdischen Leben hängen«, tadelte Meister Eckhart. »Es ist nur Leid, und wenn wir es lieben, lieben wir das Leid, und dann ist es nur gerecht, wenn wir leiden. Nur das Leben in Gott ist ewige Freude, sodass der Gerechte kein Leid kennt.« Meister Eckhart machte eine Pause und sah Hanß an: »Ich sage also: Es ficht mich nicht an, wenn jemand meine Lehre rügt. Ich sage aber noch mehr: Was mir mein Herz bricht, ist, dass meine Treue zum Glauben bezweifelt wird. Ich erstrebe nichts anderes und erflehe nichts anderes vom Herrn, als dass er mir den rechten Glauben gibt, und alles gebe ich darum, ich würde selbst mein Leben geben, wenn es zum Zeugnis des Glaubens den Märtyrertod fände. Nun sage ich Weiteres und Schwierigeres: Was ich nicht ertragen kann, ist, dass es die Kirche … dass es der Fels des Herrn höchstselbst ist, der es mir nehmen will.«
»Ich bin Euch dankbar«, sagte Hanß und presste die Fingerspitzen aneinander, bis sie ganz weiß wurden, »dass wir nicht über Eure Lehre sprechen müssen, denn wir würden keine Einigung erzielen. Ich möchte Euch einen Vorschlag unterbreiten, der mit dem ehrwürdigen Vater und Herrn Erzbischof Heinrich abgestimmt ist. Wenn
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