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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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sie die Augen offen und achtete darauf, immer genügend Abstand zu haben, sodass sie zu fliehen vermögen würde, sollte er drohen, ihren Heimgang zum Herrn zu beschleunigen.
    Hechard hatte gesagt, alles Leid würde daraus entstehen, dass etwas Schaden nimmt, was man liebt. Wenn man nun die äußeren Dinge liebt, dann liebt man das Leid, denn alle äußeren Dinge sind vergänglich wie die Welt selbst; und Vergänglichkeit ist nur ein anderer Ausdruck für Schaden und Leid. Wenn man nun die äußeren Dinge liebt, dann liebt man das Leid. Es ist nur gerecht, wenn man dann leidet. Den wahrhaft Gerechten betrübt dagegen kein Leid, sonst ist er nicht gerecht, denn er wendet sich nur Gott zu, der weder vergänglich ist, noch irgendwie Schaden nehmen kann.
    Liebe ich also mein irdisches Leben so sehr, dass es mir Leid ist, wenn es droht Schaden zu nehmen?, fragte sich Demudis. Sollte ich es nicht so sehr lieben? Aber dann würde ich das Geschenk des Herrn missachten. Ich werde Hechard danach fragen müssen, wenn ich zurück bin.
    Kaum hatte sie an Hechard gedacht, machte sie sich weitere Sorgen. Sie war nun viele Tage fort gewesen und wusste nicht, wie es mit der Anklage gegen ihn weitergegangen war. Sicherlich, sie brachte gute Kunde mit, nämlich dass er allem Anscheine nach weder ein minnigliches Verhältnis zu Schwester Guta gehabt habe, noch gar ihr Mörder sei. Aber es war schon noch die Frage, ob es früh genug war, und vor allem, ob man sie überhaupt anhören würde. Als sie Andernach passierten, sendete sie Abt Paul einen Gruß im Geiste, aber beschloss, jetzt nicht aus dem Tross des Grafen auszubrechen, um ihn zu fragen, ob er der Vater von Martin war. Und ihm gleichzeitig seinen Tod kundzutun. Das würde er nicht aushalten!, dachte Demudis traurig. Und doch würde sie es tun müssen. Jedoch war es jetzt eiliger, mit dem Grafen nach Köln zurückzukehren und die Anklage gegen Hechard zumindest in einigen Punkten zu widerlegen.
     
    *
     
    Köln, Palast des Erzbischofs, am Mittag des 13.2.1327
     
    Hanß fühlte sich unwohl im Amtszimmer des Erzbischofs. Er hatte den Eindruck, es bedrücke ihn selbst mehr als Heinrich, dass er diesem den Bruderkuss verweigerte. Es machte sich als ein Stich in der Leistengegend bemerkbar. Indem er den alten Mann beleidigte, behandelte er ihn nicht als Mensch, wie er von Gott geschaffen wurde, sondern als Vertreter des Amtes, in welchem er gefehlt hatte. Aber sollte sich sein Ärger nicht viel mehr auf sich selbst richten? Er war so tief gefallen, dass er handelte wie der Erzbischof, nämlich das Spiel der weltlichen Macht mitspielte und nun seinerseits den Erzbischof erpresste.
    Die Prediger dagegen verweigerten es, sich die Ehrerbietung zollen zu lassen. Das konnte er verschmerzen. Er war froh, dass sie dem von ihm eingefädelten Handel zur Niederschlagung der Inquisition schließlich doch noch zugestimmt hatten: Eckhart würde einen allgemein gehaltenen Widerruf unterzeichnen und damit würde die Anklage wegen Ketzerei und unlauteren Lebenswandel fallen gelassen. Da sollte er nicht noch Freundlichkeit oder auch bloß Höflichkeit erwarten.
    Hanß wollte genau das alles so schnell als nur möglich hinter sich bringen, um nur noch Gott zu dienen und mit Gott zu sein. Er nahm sich vor, sich nie wieder den weltlichen Dingen zu widmen oder an sie wertvolle Gedanken zu verschwenden, die weit besser Gott zugedacht werden konnten. Was würde er vorfinden? Wenn er mit seinen Sünden und den Erinnerungen an sie allein in der Einsamkeit verkehren musste, würde er dann standhalten können?
    Er ließ seinen Blick kreisen und stellte mit Genugtuung fest, dass sich alle Zeugen am Orte befanden, die nötig waren, um der Sache eine halbwegs günstige Wendung zu geben. Die unzweifelhaft gut beleumundeten Zeugen waren nämlich Prior Johannes von Grifinsteyn, Prior Rytolph aus Elz, Lektor Octo von Schowenburg aus Koblenz, die Brüder Bruno Schernekin, Arnold von Leye, Jacob von Frankinsteyn, Godfrid, genannt Niger, Godfrid Ludwig von der Marspforte, Johannes von Düren, Theoderich von Worms, Pfarrer Arnolds sowie die Bürger Godelin von Udinchoven und Hermann aus der Breiten Straße. Hanß vermied es, den greisen Prediger anzuschauen, den er ebenso seiner ausschweifenden Lehre wegen verachtete, wie er an ihm hoch schätzte, dass er sich von ganzem Herzen um den Glauben bemühte. Als der amtliche Schreiber, Walter von Ketwich, die Urkunde gefertigt, die Zeugen niedergelegt und beglaubigt hatte,

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