Den letzten Abschied selbst gestalten
herausgearbeiteten Kreuzen oder gefal-teten Händen und massive Zinnurnen mit einem Eigengewicht von mehr als zwei Kilo. Auch bei modernen Werkstoffen hapert es oft an der Gestaltung. Manche der glänzenden Überurnen sehen dann aus wie Cocktailshaker, andere aus Holz ähneln Cognacfässchen. Den Markt beurteilt der Chef des Urnenanbieters Voelsing AG bei Hannover, Volker Voelsing, so: »Die Branche ist sehr konservativ strukturiert. Die dort angebotenen Urnen spiegeln zu 99 Prozent den Geschmack des Bestatters wider. Wenn sich die Leute nicht selbst über das große Angebot informieren, bekommen sie das, was der Bestatter vorrätig hat.«
Dabei gibt es durchaus schöne Aschegefäße in vielen Farben, Materialien und individueller Gestaltung. Bei den »Himmelblau-Urnen« lässt sich etwa der Deckel (mit extra Gabenfach) abheben und ein schmückender Ring aus Filz, Metall oder Glas über das Gerät schieben. Eine Architektin aus Düsseldorf hat eine elegante, mit Wollfilz ausgekleidete schwarze Holz-Urne entwickelt. Die Angehörigen erhalten ein Stückchen des Filzes als »memoire« dazu. Das Konzept erhielt mehrere Auszeichnungen. Edles Design unter dem Namen »cosmicball-collection« bieten zwei Schweizer Brüder an. Da gibt es Kugelurnen aus Steingut oder Ton, quadratische Gefäße aus Birnbaum oder den futuristisch wirkenden »Ball of Love« aus Edelstahl und Aluminium zu sehr gehobenen Preisen. Zu seinem Engagement auf diesem Gebiet meint Thomas Schär: »Mich deprimierte die zufällige Betrachtung von Urnen im Schaufenster eines Bestattungsinstitutes dermaßen, dass ich beschloss, eine zeitgemäße Urnenkollektion zu entwickeln.«
Dem ökologischen Aspekt widmen sich Anbieter für Bio-Aschenkapseln und Urnen. Behältnisse aus Flachs und Bambus mit Biokunststoffen stellt zum Beispiel die Firma Linotech in Waldenburg her. Der Urnenanbieter Karsten Frenzel aus Großkneten bietet sowohl Aschenkapseln als auch Überurnen aus 100 Prozent biologisch abbaubaren Naturfaserverbundstoffen wie Flachs, Jute, Hanf oder Holzfasern an. Die Universität Weimar hat überprüft, dass diese Urnen je nach Bodenbeschaffenheit nach drei bis fünf Jahren rückstandsfrei verrotten. Frenzel hat aber erfahren: »Viele wollen das alte Prinzip mit dem Weißblech-Deckel behalten, einfach, weil sie die entsprechenden Prägemaschinen haben.« Von den Bestattern zeige sich lediglich ein Drittel aufgeschlossen. Die Mehrheit interessiere sich mehr für einen Preisunterschied von fünf Cent als für die Umwelt. Dabei müsse man doch nur einmal rechnen: »Jedes Jahr werden in Deutschland rund eine halbe Million Stahlblechurnen beigesetzt und ungefähr noch mal so viele Aschenkapseln. Das entspricht 2000 Tonnen Stahlblech. Bei dessen Herstellung werden rund 4000 Tonnen klimaschädliche CO 2-Gase freigesetzt. Ausgehend von einer Liegezeit von 20 bis 30 Jahren lagern 20 bis 30 Millionen dieser Behälter auf deutschen Friedhöfen.«
Warum wird im umweltbewussten Deutschland nicht längst vorgeschrieben, nur biologisch abbaubare Urnen zu verwenden? Stattdessen versucht sich jeder in eigenen Vorschriften. Einzelne Friedhofsverwaltungen oder Bestatter weisen mit schwammigen Formulierungen darauf hin, dass »nur abbaubare Stoffe« oder »vergängliche Materialien« benutzt werden dürfen. »Schwer zersetzbare Stoffe« sind demnach verboten und entsprechende Überurnen müssten »vor der Beisetzung entfernt werden«. Für manche kommt als Material »nur unbehandeltes Holz und weich gebrannte Keramik« in Frage, auf keinen Fall Marmor, feste Keramik, Kupfer und Kunststoff. An anderer Stelle sind wiederum nur Glas oder emailliertes Metall verboten. Wer kontrolliert das alles? Der kleine Friedhofs-angestellte, der die Urne zum Grab trägt?
Das gleiche Durcheinander gilt für die Verrottungszeiten. Die einen geben an, innerhalb von fünf Jahren könne man eine Urne noch jederzeit intakt umbetten, andere gehen davon aus, dass die Urne erst innerhalb von 25 Jahren (!) im Erdreich vergeht.
Die Wahrheit versteckt sich in vielen Friedhofssatzungen. Da heißt es nämlich oft: »Nach abgelaufener Nutzungszeit des Grabes wird die Asche ohne Kapsel in gesondertem Gemeinschaftsgrab erneut beigesetzt.« Das heißt im Klartext: All die nicht verrotteten Urnen und Kapseln werden am Tag X aufgebrochen und die Aschen an anderer Stelle in einem anonymen Sammelgrab zusammengeschüttet!
Spätestens an dieser Stelle fragt man sich: Warum wird die Asche überhaupt erst in
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