Den Löwen Zum Frass
Unbekannte in seiner weit kultivierteren Sphäre der Wagenrennen. Es gelang mir, nicht vor Lachen zu ersticken.
Zufällig erwähnte ich die Verbindung zu Tripoli- tanien. Da wurde er hellhörig. Offenbar kamen einige der besten Pferde aus Afrika.
»Numidien, Libyen - das liegt doch alles da in der Gegend, oder?«
»Ungefähr. Aber ich dachte, die guten Rösser seien aus Spanien, Famia?«
»Die besten kommen aus dem verdammten Parthien. Dieser riesige Kerl da« - er deutete auf den Grauen, der sich geweigert hatte, seine Medizin zu schlucken - »kommt aus Kappadokien. Der muss parthische oder medische Vorfahren in seinem Stammbaum haben. Gibt ihm die Kraft, einen Streitwagen an der Außenseite des Gespanns um die Kurven zu ziehen. Du bist der Beste, was, mein Junge?« Der Graue bleckte drohend die Zähne; Famia entschied sich dagegen, ihn zu tätscheln. »Danach rangieren Spanien und Afrika etwa auf der gleichen Stufe. Libysche Pferde sind berühmt für ihre Zähigkeit und Ausdauer. Gut fürs Rennen. Was nützt einem ein hübsches Vierergespann, das ans Stargatter tänzelt und dann nur einen kurzen Sprint hinlegen kann? Man braucht ein Gespann, das sieben Runden am Stück durchhält.«
»Stimmt.« Ich verkniff mir die Bemerkung: Du meinst, wie die von den Blauen? »Ich nehme an, die Pferde werden von den gleichen Schiffseignern transportiert wie die großen Katzen und die anderen exotischen Bestien für die Venatio?«
»Wird wohl so sein. Was heißt, ich kenne vielleicht einen Transporteur, der dir erzählen kann, was du herausfinden willst. Was auch immer das sein mag.«
Sollte er doch spotten. Was kann man sonst von Familienmitgliedern erwarten? Wie gewöhnlich hatte ich keine genauen Vorstellungen darüber, was ich eigentlich herausfinden wollte, aber ich ersparte Famia meine Unsicherheit und dankte ihm nur dafür, dass er mich seinem hypothetischen Kumpel vorstellen wollte. Er würde es wahrscheinlich vergessen, also sparte ich mir die Mühe, zu überschwänglich zu sein.
»Übrigens, hast du je von einem Kerl namens Rumex gehört?«
Famia sah mich an, als wäre ich verrückt. »Wo lebst du denn, Falco?«
Er wusste offensichtlich mehr als ich, aber bevor er damit rausrücken konnte, wurde er von einem Sklaven unterbrochen, der mit weit aufgerissenen Augen in den Stall gerannt kam, Famia sah und schrie: »Du musst sofort kommen und ein Seil mitbringen!«
»Was ist denn los?«
»Auf dem Dach von den Saepta Julia kriecht ein ausgerissener Leopard herum!«
Famia suchte nicht erst lange nach einem Seil. Wie bei den meisten Säufern hatte der Wein kaum eine nennenswerte Wirkung auf ihn gehabt. Er war wach genug zu wissen, dass es hier um mehr ging, als Pferde einzufangen. Einem Leoparden konnte man sich nicht einfach mit einer Karotte in der Hand nähern und dabei den Halfter listig hinter dem Rücken verbergen.
Wir rannten beide zu den Saepta, aber ich wusste genau, dass Famia bloß mitkam, damit ihm die Schau nicht entging. Nur fragte sich, wer in Rom die Traute hatte, mit dieser Situation fertig zu werden. Ich nicht, so viel war klar. Auch ich begab mich einzig wegen des Spektakels dorthin.
Als wir ankamen und die Größe und Bedrohlichkeit der Bestie sahen - kein Leopard, sondern eine Leopardin -, war ich mir erst recht verdammt sicher, dass ich nichts damit zu tun haben wollte. Sie lag auf dem Dach, ließ ihren dicken Schweif wie ein griechisches Ypsilon herabbaumeln und knurrte von Zeit zu Zeit, wenn die unten stehende Menge sie
verärgerte. Typisch für eine römische Menschenmenge, gaben sich die Leute dabei die größte Mühe. Sie hatten völlig vergessen, dass Leoparden in der Arena ihre Opfer mit einem einzigen Biss in den Hals töteten und sie dann genüsslich zerfetzten. Es wurde gewunken, geknurrt, die Kinder stolzierten Grimassen schneidend herum, und einige versuchten sogar die große Katze mit Besenstielen zu piken.
Jemand würde dabei draufgehen. Ein Blick in die schmalen Augen der Leopardin verriet mir, dass sie beschlossen hatte, nicht diejenige zu sein.
Sie war ein wunderschönes Tier. Manchmal sehen die Arenakatzen nach der langen Schiffsreise, ganz zu schweigen von dem Stress der Gefangenschaft, völlig ausgezehrt aus. Diese hier war kerngesund und putzmunter. Ihr geflecktes Fell war dicht und ihre Muskeln kräftig. Sie war geschmeidig, prächtig anzusehen und stark. Als Famia und ich bei den Saepta eintrafen, lag sie reglos da. Ihr Kopf hob sich, sie beobachtete die Menge wie
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