Den Löwen Zum Frass
dunkelhäutiger, kraushaariger Mann, der wie ein Kämpfer gebaut war, mit eingedellter Nase und allem, aber erstaunlich gut gekleidet. Er trug eine Tunika mit breiter blauer und goldener Flechtborte, dazu einen langen Umhang aus feiner Wolle mit keltischen Silberknebeln und einen teuren Gürtel mit einer Schnalle, die aussah, als hätte Achilles sie einst getragen, wenn er in Festlaune war. Eine Gruppe von Männern, offensichtlich seine Sklaven, folgte ihm den Flur entlang, einige mit Seilen und langen, mit Haken versehenen Stangen ausgerüstet.
»Ich hab sie für dich eingefangen«, rief ihm Thalia über die Schulter zu, als sich unsere Wege kreuzten. Offenbar gehörte ihm die Leopardin. »Komm zu mir, wenn du sie nach Hause gebracht hast, dann sprechen wir über den Fangpreis.«
Der Mann grinste schwach und versuchte sich einzureden, dass sie es nicht ernst meinte. Was sie tat, davon war ich überzeugt. Er in Wirklichkeit auch.
Thalia ging weiter. Ich humpelte hinter ihr her. »Wer war das?«
»Ein Idiot namens Saturninus.«
»Saturninus! Du kennst ihn, Thalia?«
»Wir sind quasi im gleichen Geschäft.«
»Tja, was für ein Glück.« Sie sah mich erstaunt an. Da versprach ich ihr, mir von ihr den Arm mit Salbe beschmieren zu lassen, wenn sie mir dafür erzählte, was sie über die Männer wusste, die Tiere für die Venatio importierten.
»Speziell über Saturninus?«
»Und auch über Calliopus, bitte.«
»Calliopus?« Thalias Augen wurden schmal. Sie musste gehört haben, dass er für den Zensus überprüft wurde. »Ach du Scheiße, Falco. Erzähl mir nicht, dass du der Dreckskerl bist, der die Lebensstilüberprüfungen durchführt. Dann bin ich wohl als Nächste dran?«
»Thalia«, versprach ich, »egal, welche Lügen du dem Zensor erzählt hast, glaub mir, du bist vollkommen in Sicherheit. Ich würde nie wagen, deinen Lebensstil zu überprüfen - ganz zu schweigen von deinen Finanzen!«
Thalia hatte immer außerhalb der Stadt gehaust, in der Nähe von Neros Circus. Als ich sie kennen lernte, war sie eine abgehalfterte exotische Tänzerin. Jetzt war sie ein weiblicher Impresario - von einer Gruppe aufreizender Tanzmädchen, liebenswerter Esel, die Erinnerungskunststücke fertig brachten, äußerst teurer Musiker, einbeiniger Wahrsager, die mit einer Adlernase geboren waren, und Zwergen, die auf zehn aufeinander gestellten Amphoren Kopfstand machen konnten.
Sie selbst trat mit einem Python auf, eine spannungsgeladene Kombination mit pornografischem Anstrich, den man normalerweise nicht außerhalb alptraumhafter, von großkotzigen Schurken geführter Bordelle sah.
Sie hatte ihr Geschäft von einem Unternehmer geerbt (den sie nur mit Verachtung erwähnte, wie die meisten Männer); er hatte eine tödliche Begegnung mit einem Panter gehabt (von dem sie immer noch recht liebevoll sprach). Unter Thalias neuer, strenger Führung schien das Geschäft zu blühen, obwohl sie
immer noch in einem ramponierten Zelt lebte. Drinnen gab es neue Seidenkissen und orientalische Metallarbeiten. Sie teilten sich den Platz mit schäbigen alten Körben, in denen, wie ich annehmen konnte, ein paar wenig vertrauenswürdige Schlangen hausten.
»Hier ist Jason! Sag Hallo zu ihm, Falco!« Jason wurde nie in einen Korb gestopft. Er war nicht ihr Tanzpartner, nur ein kleineres Haustier, ein sich bis ins Unendliche dehnender Python, der, wie Thalia mir seit langem einreden wollte, ein sanftmütiger Bursche war und gern Gesellschaft hatte. Sie wusste, dass er mich verabscheute und ich mich vor ihm zu Tode fürchtete.
Das veranlasste sie nur, noch intensiver zu versuchen uns zusammenzubringen; die typische Heiratsvermittlerin. »Im Moment sieht er etwas mitgenommen aus und fühlt sich nicht wohl. Du häutest dich, was, mein Schatz?«
»Dann sollten wir ihn lieber in Ruhe lassen«, gab ich ziemlich lahm zurück. »Seit wann bist du wieder in Rom, Thalia?«
»Seit letzten Sommer.« Sie reichte mir einen Becher und wartete, bis ich ausgetrunken hatte. Ich wusste, wie ich mich als guter Patient bei einer so eindrucksvollen Krankenschwester zu verhalten hatte. »Ich wollte euch besuchen, aber du warst mit Helena in Spanien. Hast du schon wieder unschuldigen Geschäftsleuten nachspioniert?«
»Familienausflug.« Ich machte nicht gern viel her von der Arbeit, die ich für den Kaiser erledigte.
Mein Becher war leer. Ich stellte ihn auf ein Elfenbeintablett. Sofort schlängelte sich Jason hoch und leckte die Reste aus. »Wie steht's
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