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Den Tod im Blick- Numbers 1

Den Tod im Blick- Numbers 1

Titel: Den Tod im Blick- Numbers 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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Kaminsims hinüber. »Na los, nimm ihn schon hoch.« Ich griff nach dem Rahmen. »Nein, nicht das Foto, Jem«, sagte sie scharf. »Die Asche in dem Kasten vor dir.«
    »Was …?«
    Tatsächlich stand das Foto neben einem robusten Holzkasten. Ich zögerte.
    »Na los. Er beißt nicht.«
    Ich schob ein paar von den Nippessachen beiseite und fasste nach dem Kasten. Er war überraschend schwer – dickes, weiches Holz mit einer kleinen Metallplakette obendrauf: Cyril Dawson, gestorben am 12. Januar 1992 im Alter von 44 Jahren. Ich trug ihn ganz vorsichtig und stellte ihn auf den Hocker neben das Tablett. Val beugte sich genau drüber und strich mit der Hand über die Oberfläche.
    »Alle sagen, es ist schrecklich, jung zu sterben, aber er hatte ein wunderbares Leben, das Leben eines jungen Mannes. Nichts von dem hier«, sie legte sich die Hand auf ihre Schulter, »den Leiden und Schmerzen, dem Langsamwerden und dass alles schlaff wird. Nein, er liebte das Leben von ganzem Herzen, er lebte wie ein Löwe und erlosch wie ein Licht. Einfach so.« Sie schnippte mit den Fingern. »Ist doch nicht schlecht.« Sie legte wieder die Hand auf den Kasten und strich mit dem Daumen über die Messingplatte. »Ist ja nur, dass wir sie so vermissen. Die, die sterben. Man vermisst sie einfach.«
    Spinne löste sich vom Türrahmen, an dem er gelehnt hatte, und legte die Arme um seine Oma. »Ist das deine Art, Jem aufzumuntern? Dummes altes Weib.«
    »Hey, reiß dich zusammen, du.« Ihre Hand schoss nach oben, um ihm einen Klaps zu geben. Er packte die Hand, bevor sie ihn berührte, und küsste seine Oma auf die Wange. Als er die Hand wieder losließ, ruhte sie für einen kurzen Moment liebevoll auf seinem Gesicht. »Er ist kein schlechter Junge, Jem. Kein schlechter Junge. Und jetzt stell deinen Großvater wieder zurück.«
    »Val«, sagte ich, bevor ich richtig drüber nachgedacht hatte, »was hatte er – Cyril – für eine Aura?«
    In ihrem Gesicht sah ich, dass sie überrascht war, dann lächelte sie und zeigte eine hübsche Sammlung schiefer und krummer orange verfärbter Zähne. »Weißt du, das wüsste ich auch gern. Aber dass ich sie sehen kann, fing erst an, nachdem er tot war. Ich glaube, die Trauer und das alles haben meine spirituelle Seite überhaupt erst offenbart. Vorher habe ich nie was gesehen.«
    Und dann blitzschnell, mit leiser, vertraulicher Stimme: »Was siehst du, Jem?« Ich zuckte nach hinten ins Sofa zurück. »Was siehst du? Ich weiß, dass du etwas siehst. Du bist wie ich, Jem. Wir wissen, wie das ist, jemanden zu verlieren.«
    Sie hatte mich in einem schutzlosen Moment erwischt. Ich wollte es ihr so gern sagen. Ich hatte ein Verlangen danach, ihre knochigen Hände in meinen zu halten, ihre Energie zu spüren. Ich wusste, dass sie mir glauben würde. Ich könnte alles mit ihr teilen, ein bisschen von der Einsamkeit loswerden, die das Ganze mit sich brachte. Ich schwankte am Abgrund – sie zog mich zu sich. Es würde geschehen …
    »Oma, wenn du so mit den Leuten umspringst, die ich mitbring, werd ich nie Freunde finden. Scheiße, jetzt lass sie doch mal in Ruh.« Spinnes Stimme kappte die Energieströme zwischen uns wie ein Schwert. Befreit sprang ich auf. »Ich will dir meine neue Anlage zeigen, Mann. Los, komm, die haut dich echt um.« Und er führte mich hinauf in sein Zimmer.
    Als ich aus dem Wohnzimmer in den Flur trat, schaute ich noch mal zurück. Val sah mich noch immer an, den Blick selbst dann noch auf mich geheftet, als sie in der Schachtel herumtastete und sich eine neue Zigarette ansteckte.

KAPITEL 06
    Musik wummerte durchs Treppenhaus. Ich suchte einen Weg über Beine und Körper hinweg. Die Leute bemerkten kaum, dass ich mich zwischen ihnen hindurchschlängelte: Sie waren dabei, sich zu betrinken, im Beat und ineinander zu versinken.
    Ich war auf der Suche nach Spinne. »Baz schmeißt Samstagabend ’ne Party«, hatte er am Tag, nachdem der Alte gestorben war, gesagt. Wir waren wieder unten am Kanal und warfen mit Steinen auf eine Dose. »Ich bin da. Sowieso. Komm doch vorbei, irgendwann so nach zehn. Dritter Stock. Nightingale House.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Er erzählte es ganz beiläufig, aber eine Party am Samstagabend klang verdächtig nach Date und ich wollte auf keinen Fall in so eine Beziehungskiste reinschlittern. Ich hatte gerade mal geschafft zu akzeptieren, dass ich einen Freund hatte, mit dem ich abhängen konnte; von da aus war es ein riesiger Schritt zu

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