Den Tod im Blick- Numbers 1
Pfosten wackelte, als ich mich draufstellte; ich stieß einen Schrei aus. Spinne lachte und streckte die Hand aus, um mich zu stützen. Ich griff danach und schwang ein Bein rüber, ließ los, schwenkte um und griff nach dem hölzernen Zaunpfahl, bevor ich das andere Bein nachzog. Mit dem Hintern in der Luft war mir plötzlich, als würde der Pfosten nachgeben, außerdem hatte ich irgendwas Schleimiges an der Hand. Ich ließ den Pfahl los und sah, dass ich in Vogelscheiße gepackt hatte.
»Verdammte Kacke!« Ich hörte, wie Spinne hinter mir loslachte. »Das ist nicht lustig, ich hab Scheiße an der Hand!« Ich streckte ein Bein nach unten und tastete mit dem Fuß nach dem Weg. Als ich endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, drehte ich mich um und sah, wie Spinne sich vor Lachen vornüberbeugte. »Was ist?«
»Hab echt noch nie so was Komisches gesehn! Du bist super!«
»Verpiss dich!« Ich versuchte meine Hände an ihm abzuwischen, aber er duckte sich weg. Ich jagte ihn eine Weile um die Tüten, ehe er meine Handgelenke schnappte, mich zu Boden riss und meine Hände gewaltsam an einem Grasbüschel abrieb. Das meiste Zeug ging so weg, den Rest wischte ich an der Hose ab. Wir saßen entfernt voneinander. Meine Brust hob sich von der Anstrengung, meine Lunge sog in schweren Zügen Luft ein, bis sich mein Körper allmählich wieder beruhigte und ich normal atmen konnte.
Spinne suchte in einer der Tüten und nahm einen kräftigen Schluck aus einer Colaflasche, dann reichte er sie mir. Die Cola war warm und ein bisschen schal, doch sie schmeckte wie Nektar. Dann schnappten wir uns die Tüten und folgten dem Weg ins Niemandsland.
Du glaubst nicht, wie beschissen ich mich fühlte, als wir die Wiese durchquerten. Nach Spinnes Gerede von wegen Knarre musste ich ständig an die Stelle zwischen meinen Schulterblättern denken und wartete nur darauf, dass mich ein Scharfschütze traf. Je weiter wir uns von dem Gatter entfernten, desto ungeschützter fühlte ich mich. So verwundbar, als würde ich splitternackt durch die Gegend marschieren. Um uns herum war nichts, nur Gras und Himmel, mehr Himmel, als ich je gesehen hatte, eine obszöne Masse Himmel.
In der Stadt merkst du gar nicht, wie viel Platz die Gebäude einnehmen. Wenn du sie wegnehmen würdest, wär überall einfach Himmel, riesig und leer. Es gibt nichts zwischen deinem Kopf und der Weite des Alls und es liegt nur an der Schwerkraft, dass du nicht immer weiter hinaufschwebst, fort von der Erde. Ich schob die totale Panik. Die einzige Möglichkeit, irgendwie zu funktionieren, war, direkt auf den Weg zu schauen und einen Fuß vor den andern zu setzen.
Vor mir ging Spinne mit vertrauten federnden Schritten. Ich merkte, wie ich seine Bewegungen beobachtete, die langen Beine, die ganz weit hoch bis zu seinem dünnen Arsch liefen. Er hatte in der Schule und in der Siedlung immer so ruhelos gewirkt, als ob es ihm schwerfiel, seine Energie zwischen den Mauern, den Straßen und Häusern in Schach zu halten. Hier schienen seine Beine Kilometer zu fressen. Als wäre dieser große schwarze Kerl aus London hier zu Hause. Das hier war genau das Richtige für ihn.
Anders als für mich. Wo er den Weg entlangsprang, schleppte ich mich. Ich kann nicht … ich will nicht … ich hasse es dröhnte mein Kopf. Als wir endlich oben auf dem Hügel ankamen und ich dachte, wir wären da, erhob sich dahinter ein weiterer Hügel. Sie waren wie Wellen, die sich immer weiter und weiter erstreckten.
Später liefen wir am Rand einer Wiese entlang und dicke Bäume säumten die andere Seite des Wegs. Ich hörte Wasser plätschern. Spinne blieb stehen und stellte die Tüten ab.
»Wart mal einen Moment«, sagte er, lief schnell den Wegrand hinauf und sprang über den Stacheldrahtzaun.
»Was machst du denn?«, rief ich, doch er antwortete nicht, deshalb kam ich mir plötzlich wie ein Idiot vor. Ich setzte mich und schaute den Weg zurück, den wir gekommen waren. Wenn ich jetzt Leute sehen würde, die uns verfolgten, was sollte ich tun? Ich hatte keine Zeit, mir die Frage zu beantworten, weil Spinne schon wieder zurückkam, mit einem sehr selbstgefälligen Gesichtsausdruck.
»Da ist ’n Hügel und dahinter ’n Fluss, Jem. Das ist ’ne gute Nachricht für uns. Wir brauchen nur ’n Stück durch den Fluß zu waten, dann können sie uns nicht mehr finden, selbst wenn sie Hunde dabeihaben. Die verlieren den Geruch. Das hab ich in Filmen gesehn.«
Also, in Filmen hatte ich das
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