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Den Tod im Blick- Numbers 1

Den Tod im Blick- Numbers 1

Titel: Den Tod im Blick- Numbers 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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Regen in die Haut, am ganzen Körper, dann stand ich still, noch einmal mit dem Gesicht nach oben, den Mund geöffnet, und fing mit der Zunge Regentropfen auf.
    Ich schaute rüber zur Scheune. In der Dunkelheit sah ich, wie Spinne gegen eine der Eisenstreben gelehnt stand. Er lächelte und schüttelte den Kopf.
    »Du bist verrückt, Mann«, rief er. »Du bist echt verrückt.«
    »Nein«, brüllte ich zurück. »Es ist wunderbar. Komm doch auch raus!«
    »Nee. Ich nicht, Mann. Bin gestern nass genug geworden.«
    Ich rannte zu ihm und lachte, als ich im Matsch ausrutschte und beinahe stürzte. Er wich zurück, doch ich packte seinen Arm, dann hielt ich seine beiden Hände fest und zog ihn nach draußen. Als er erst mal nass war, gab er nach, zog sich aus und warf seine Sachen zurück in die Scheune. »Ich glaub’s nicht, was wir hier machen, ist doch verrückt!«
    Ich rannte weiter, drehte mich mit ausgestreckten Armen im Kreis und verlor mich in der Dunkelheit und dem Regen. Nackt bis auf die Unterhose, suchte Spinne vorsichtig einen Weg zu mir. Die Schultern nach vorn gebeugt, den Bauch eingezogen, versuchte sein Körper sich gegen die Kälte zu schützen. Spinne war so dürr. Du konntest all seine Muskeln sehen, nicht weil er durchtrainiert war, sondern, weil kein Fett sie verbarg. Er stand da, die Arme vor dem Körper verschränkt. Er konnte mir nicht in die Augen sehen. Ich hatte alle Scheu verloren, fortgetragen vom Rausch, doch er stand da, erstarrt vor lauter Befangenheit.
    »Ist verdammt kalt!«, jammerte er. Ich lachte.
    »Ist erfrischend!«
    »Es sticht wie Nadeln!«
    »Reib’s ein. Reib das Wasser in die Haut, tut gut.«
    Steif rieb er sich den einen Arm, dann fuhr er hinauf zur Schulter. »O ja, du hast Recht.« Langsam ließ er sich darauf ein, fuhr sich mit den Händen durchs Haar, hob den Kopf wie ich und schloss die Augen. Er stieß einen Freudenschrei aus und ich sah zu, wie er sich das Wasser von Gesicht, Schultern und Brust strich, und plötzlich wurde es mir bewusst. Er war schön.
    Ich fühlte, wie mein ganzer Körper vor Schreck rot anlief. Es war, als ob ich ihn zum ersten Mal sah, hinter das sah, was alle andern sahen – das Zucken, das Fluchen, die Aggression und die Unbeholfenheit.
    Ich merkte, dass er mich ansah.
    »Was ist?«, fragte er.
    »Nichts.«
    »Wird dir kalt?«
    »Nee, alles in Ordnung.«
    »Du musst dich bewegen, sonst erfrierst du!« Plötzlich jagte er los, sprang umher wie ein Irrer und kreischte. Ich folgte ihm, tanzte und hüpfte und lachte. Er fasste meine Hand und wirbelte mich umher, dann zog er mich an sich, legte seinen Arm um meine Taille und wir walzerten rum wie zwei Irre. Und die ganze Zeit donnerte rings um uns her der Regen nieder. Es war das Verrückteste, das Allerverrückteste auf der Welt.
    »Jemand da oben mag dich«, brüllte er mir ins Ohr.
    »Wie meinst du das?«
    »Er hat dir genau in dem Moment eine Dusche geschickt, als du sie wolltest, oder?«
    »Ist nur Regen. Da oben ist niemand.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Also, in den letzten fünfzehn Jahren hat auch niemand auf mich aufgepasst, wieso sollte jetzt jemand damit anfangen?«
    Wir hörten auf zu tanzen, doch er hatte noch immer den Arm um mich gelegt.
    »Ich pass immer auf dich auf«, sagte er. Seine Worte gingen mir mitten ins Herz. Mein Magen stülpte sich irgendwie um. Und im selben Moment fingen meine Augen an zu brennen. Es gab kein »immer« für diesen Jungen. Ich drehte den Kopf zur Seite, damit er meine Tränen nicht sah.
    »Ich mein das echt, Jem.«
    »Ich weiß«, sagte ich schwankend.
    Er hob die Hand, hielt sie mir unters Kinn und drehte meinen Kopf wieder in seine Richtung. Unsere unterschiedlichen Körper passten so wenig zusammen, weil meine Augen bei ihm auf Brusthöhe waren. Er bog meinen Kopf zurück und beugte sich zu mir runter.
    Ich hatte gerade noch Zeit zu denken: Das passiert nicht wirklich , bevor ich spürte, wie sich seine Lippen sanft auf meine drückten. Ich schloss die Augen. Sein Mund bewegte sich leicht und die Nase rieb sich an meiner. Ich spürte, wie er anfing sich wieder von mir zu lösen, und öffnete die Augen. Sein Gesicht war so nah, es war irgendwie entstellt, aber die Zahl war da, dieselbe wie immer. Als er sich löste, wurde er wieder vertrauter, seine Züge verwandelten sich wieder in den Spinne, den ich kannte. Er runzelte die Stirn, ließ mich los und hob beide Hände.
    »Entschuldigung«, sagte er. »Tut mir leid.«
    »Nein«, sagte ich

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