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Den Tod im Blick- Numbers 1

Den Tod im Blick- Numbers 1

Titel: Den Tod im Blick- Numbers 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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bäuchlings auf den Boden und robbte auf den Ellenbogen. Ich stand auf und ging die Straße in gleicher Richtung entlang. Ich humpelte, merkte den Schmerz aber nicht. Mein Blick war auf Spinne gerichtet und wenig später sah ich, wie er zu mir rüberschaute. Ich streckte den Daumen in die Höhe, er tat das Gleiche. Als er das obere Ende der Böschung erreicht hatte, kam er auf die Füße und sprang über den Zaun.
    Von unten rief jemand: »Hey! Da ist der andere! Haltet ihn auf!«
    Spinne fing an zu rennen, ich auch – jedenfalls so gut ich rennen konnte. Wir liefen eine Weile parallel zueinander, dann verschwand er aus meinem Blick, verborgen von einem hölzernen Zaun. Auf einer Brücke ein paar Hundert Meter weiter trafen wir aufeinander. Er nahm meine Hand und wir rannten los, blindlings, einfach wohin uns unsere Beine führten.

KAPITEL 22
    Wir hatten nichts mehr zu tragen, nichts, was unser Tempo drosselte, und wieder schoss uns das Adrenalin durch den Körper. Nach einem leichten Zickzackkurs landeten wir in einem Park. Hier war es schon besser: kaum Menschen, nur alte Damen mit ihren Hunden. Wir folgten den Wegen und suchten nach einem Versteck. Spinne schickte mich immer wieder in irgendwelche Lücken im Gebüsch.
    »Geh mal da rein und schau nach.«
    »Mach du’s doch.«
    »Jetzt hab dich nicht so. Du bist kleiner als ich. Mach schon und guck’s dir an.«
    Ich versuchte in die Lücke zu kommen und schob die Äste aus meinem Gesicht. »Leute wie du haben vor hundert Jahren Menschen wie mich die Kamine raufgeschickt. Nur weil ich klein bin«, rief ich nach hinten.
    »Nein, Jem, jemand wie die Frau, die uns im Auto mitgenommen hat, hätte sich von uns das Haus putzen, die Schuhe polieren oder den Arsch abwischen lassen. Besonders von mir, ich wär bei irgendwem Sklave gewesen.« Ich hatte kapiert.
    Ein paar Minuten später fanden wir ein Versteck. Wenn du dich runterbeugtest und unter den Büschen mit den dicken gummiartigen Blättern durchschlängeltest, war dahinter ein freier Fleck, direkt an einer alten Mauer. Die Stelle war groß genug für uns beide, und der Boden war trocken. Niemand konnte uns sehen. Eine Zeit lang waren wir hier sicher.
    Wir setzten uns nebeneinander und lehnten uns mit dem Rücken an die Mauer. In dem Moment, als mein Hintern den Boden berührte, wich die Anspannung von mir. Ich war so schrecklich müde. Ich schloss die Augen.
    »Kippe?«
    »Nein. Nichts.« Ich wollte nicht mehr nachdenken, nichts mehr fühlen und nichts mehr sehen. Ich wollte auch nicht mehr weglaufen und mich verstecken.
    »Alles in Ordnung mit dir?« Seine Stimme drang durch einen dichten Nebel. Ich wäre fast eingeschlafen. Dann öffnete ich die Augen.
    »Ich bin nur müde.«
    Er legte mir den Arm um die Schulter und zog mich an sich. »Hast du gehört, was das Arschloch gesagt hat?«
    »Über deine Oma?«
    »Ja. Ich hätt ihn umbringen sollen, als ich die Gelegenheit hatte. Ich war so wütend, ich bin einfach nur auf ihn los. Hab total mein Messer vergessen – das hätt ich zücken und ihn an Ort und Stelle abstechen solln.«
    »Was hätt das genützt? Ihn umzubringen? Hätt dir doch bloß noch mehr Probleme eingebracht.«
    »Mir egal. Der verdient nichts anderes für das, was er getan hat. Er hatte kein Recht dazu …«
    »Ich weiß. Aber ich bin trotzdem froh, dass du es nicht gemacht hast. Ist egal, er –« Ich wollte sagen: Ist egal, er wird sowieso heute noch sterben , aber ich konnte mich gerade noch zurückhalten. Wenn Tattoogesicht fällig war, dann wär es doch sicher schon passiert; Spinne hätte auf ihn eingestochen oder ihm auf den Gleisen den Schädel eingeschlagen, als sie miteinander gekämpft hatten, oder der Zug hätt ihn erwischt. Ich war mir sicher, dass ich seine Zahl gesehen hatte, sicher, dass heute sein Tag war. Ich kapierte es nicht. Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher – gab es die Zahlen nur in meinem Kopf? Wenn sie nicht stimmen würden, das wär echt cool – dann könnte ich sie ignorieren, ändern, was auch immer. Ich könnte die Uhr anhalten, dass sie aufhörte, Spinnes Tage runterzuzählen. Aber wenn sie wahr waren, bedeutete es, Spinnes Oma war wohlauf – sie hatte noch Jahre zu leben. In meinem Kopf verknotete sich alles. Was auch immer die Wahrheit war, ich sah jetzt eine Möglichkeit, Spinne zu trösten.
    »Ich glaub, deiner Oma geht es gut.«
    »Meinst du? Ich weiß nicht mal, ob sie noch lebt.«
    Ich drehte mich um und sah ihn an. »Spinne, ich weiß, dass

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