Den Tod im Blick- Numbers 1
Manor-Road-Schule.«
»Ist gut.«
Ich streckte meinen Körper und versuchte mich so flach wie möglich gegen die Mauer zu drücken. Das schlagende Geräusch war nur wenige Meter entfernt. Ich hielt den Atem an – ziemlich albern, aber wer denkt schon logisch, wenn er sich in die Ecke gedrängt fühlt.
Plötzlich stieß etwas durch das Gebüsch, dreißig, vierzig Zentimeter von meinem Gesicht entfernt, und sprühte mich mit dem Regenwasser von den Zweigen voll. Ein Stock – sie stocherten mit Stöcken im Gebüsch rum.
»Geh auch unten drunter, führ ihn einmal am Boden entlang.«
»Okay.«
Der Stock kam zurück und fuhr über die Erde. Er begann weit genug weg, sauste dann aber auf mich zu und beschrieb einen Halbkreis. Ich zog den Bauch so weit ein, wie ich nur konnte. Der Stock ging einen Zentimeter an mir vorbei, bevor er sich wieder entfernte. Ich stand sowieso schon unter Druck, weil ich die Luft anhielt, als sich mein Magen noch weiter zusammenpresste. Es war, als ob ich jeden Moment explodieren würde. Ich hielt den Mund geschlossen, atmete nur durch die Nase aus und versuchte so alles unter Kontrolle zu halten, doch eine leichte Rotz-Explosion ließ sich nicht verhindern. Für mich klang es wie eine Atombombe, aber es war nichts gegen das Klatschen der Zweige und die Stimmen von diesen Wichsern. Sie bekamen nichts davon mit. Ich hörte, wie sie sich entfernten.
Ich kann zwar nicht sagen, dass ich mich entspannte, aber zumindest mein Atem ging wieder leichter. In meinem Kopf herrschte noch immer Panik; ich war jetzt allein, völlig allein. Spinne und ich, unser Abenteuer, das alles hatte nur drei Tage gedauert, auch wenn es mir so vorkam, als ob ich schon immer mit ihm zusammen gewesen wär. Wir hatten so viel an Leben in diese Tage gepackt wie andere in ihr ganzes Dasein. Und was noch wichtiger war, ich hatte gelernt, ihm zu vertrauen – um ehrlich zu sein, er war es gewesen, der das Denken übernahm und die Entscheidungen traf, nachdem wir uns aus dem Staub gemacht hatten. Jetzt musste ich plötzlich selber nachdenken.
Ich setzte mich langsam auf und versuchte immer noch, kein Geräusch zu verursachen. Die beiden mit ihren Stöcken mochten ja vielleicht weg sein, aber wer sagte mir, dass nicht noch andere unterwegs waren? Ich wusste, dass mein Versteck sicher war, jedenfalls halbwegs. Hier konnte ich warten, solange es nötig war. Aber worauf denn warten? Spinne würde nicht mehr zurückkommen.
Ich versuchte mir zu überlegen, was er an meiner Stelle tun würde. Aber sobald ich an ihn dachte, sah ich ihn kämpfen, mit Armen und Beinen in alle Richtungen um sich schlagen. Ich sah, wie er niedergehalten wurde, zu Boden gestreckt, ich sah ihn verletzt und zusammengekauert in einer Zellenecke liegen. So wollte ich nicht an ihn denken – ich wollte ihn durch endlose Wiesen springen sehen oder dicht bei mir, die Arme um mich gelegt –, doch der verletzte Spinne, der gefangene und ins Gefängnis geworfene Spinne ließ sich nicht mehr aus meinem Kopf vertreiben. Es hatte keinen Sinn. Ich würde durchdrehen, wenn ich hierblieb. Ich musste etwas tun und in Bewegung bleiben.
Die einzige Möglichkeit, ihm die Treue zu halten, war, unsere Reise fortzusetzen. Er hatte von Weston gesprochen wie von einer Art Heiligem Gral. Er glaubte daran – er glaubte, dass es dort für uns beide eine glückliche Zeit geben würde. Und wenn er daran glaubte, dann würde ich es auch tun. Ich würde weitermachen und die Hoffnung bewahren, ihm dort zu begegnen. Irgendwie würde er wissen, dass ich das tat, und mich dort treffen. Ich wusste nicht, wie, aber ich wusste, wann – vor dem Fünfzehnten, vor seinem Ende, würden wir wieder zusammen sein.
Ich wartete, bis ich nichts mehr hörte als das Hintergrundrauschen des Verkehrs – keine Schritte, keine tiefen Stimmen, keine Hubschrauber, keine bellenden Hunde. Nach der Erschöpfung und Verzweiflung spürte ich jetzt, wie meine Unruhe zurückkehrte. Ich sah den Moment vor mir, in dem ich aus dem Gebüsch auftauchte, ich versuchte mir auszumalen, wie ich hinauskroch in einen dunklen, leeren Park. Ein Teil von mir wollte, dass ich weitermachte, ein anderer machte sich vor Angst in die Hose.
Ich kroch auf Händen und Knien vorwärts, streckte vorsichtig meinen Kopf zwischen den Zweigen raus und versuchte nicht an all die Hunde zu denken, die dort im Lauf der Jahre hingepinkelt hatten. Es war zu dunkel, um viel zu erkennen; die Schaukel und die Rutsche auf dem
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