Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Den Tod im Blick- Numbers 1

Den Tod im Blick- Numbers 1

Titel: Den Tod im Blick- Numbers 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
Vom Netzwerk:
trottete er dicht zu ihr ran und folgte ihr leicht dampfend im Morgenlicht. Ihnen hinterherzuschauen gab mir ein Gefühl von noch größerer Einsamkeit; ich hätte nicht gedacht, dass das noch möglich wär.
    Mein Blick wanderte von den beiden, die immer kleiner wurden, als sie die andere Seite der Wiese erreichten, zu dem, was es unterhalb von ihnen zu sehen gab. Der Wind der vergangenen Nacht hatte sich gelegt. Der Himmel war klar, blassblau, mit ein paar letzten noch sichtbaren Sternen. Darunter breiteten sich Wolken weißester, flauschigster Watte über die Szene am Fuß des Berges. Honigfarbene Spitzen und Türme ragten empor, Inseln in einem sich bauschenden Meer. Ich hatte so was noch nie gesehen. Irgendwo unter dem Nebel schliefen die Menschen, wachten auf, furzten, kratzten sich, machten ihr Morgengeschäft, doch an der Oberfläche wirkte alles wie Disneyland.
    Ich hatte gegrübelt, ob ich mich runter in die Stadt trauen sollte. Doch jetzt fühlte ich mich merkwürdig zuversichtlich. In einem Ort wie diesem konnte doch gar nichts Schlimmes passieren. Ich rollte meine Decke zusammen und band sie auf den Rucksack. Meine Finger waren klamm vor Kälte. Alle meine Sachen, alles, was ich anhatte, war feucht vom Morgenreif.
    Ich machte mich auf den Weg hinab Richtung Tor und fügte mit meinen Fußabdrücken den Spuren der Frau und des Hundes eine dritte hinzu. Als ich das offene Tor erreichte, entdeckte ich einen kleinen Stapel Münzen auf dem Pfosten. Sie hatte also doch ihr Kleingeld dagelassen. Ich steckte es in die Tasche und fühlte mich schmutzig, das Geld zu nehmen, ganz anders als bei Britney. Es roch nach Almosen, und ich wollte nicht, dass mich jemand zum Almosenempfänger abstempelte.
    Ich ging durch das Tor auf der andern Seite und überquerte die Straße. Kein Mensch weit und breit. Ich nahm eine Abkürzung zwischen zwei Reihenhäusern und lief Richtung Zentrum. Der Weg führte unter einer Eisenbahnbrücke durch und dann war ich plötzlich wieder im einundzwanzigsten Jahrhundert und stand direkt an einer Hauptstraße mit Autos und Lastwagen, deren Lichter an mir vorbeizuckten und mir die Orientierung nahmen. Der Lärm dröhnte in meinen Ohren. Ich war immer noch nicht ganz wach. Ich schaute auf den langsamer werdenden Verkehr und schoss nach vorn.
    Rechts neben mir kreischte eine Hupe und jagte mir Adrenalin durch die Adern, dass mir das Herz hüpfte und meine Beine noch schneller liefen. Verdammt, wo war der denn hergekommen? Ich musste meine Sinne beisammenhalten. Ich rannte ungefähr eine Minute, dann fiel ich zurück in ein Traben und ging auf einer Brücke, die einen trüben braunen Fluss überquerte. Auf der andern Seite gab es Hotels und Kneipen, dann folgten Läden, nicht so richtige, sondern solche, wo Touristen reingehen würden. Abzocke-Läden. Alle hatten Weihnachtsbeleuchtung und -dekoration in den Fenstern – funkelnden, glitzernden Plunder. Keiner hatte geöffnet.
    Ich schaute auf meine Uhr. Es war zehn vor acht. Direkt im Zentrum waren ein paar Menschen zu sehen, Fensterreiniger, jemand, der die Papierkörbe leerte, Leute, die in ihren Läden verschwanden oder vorübereilten, das Kinn im Schal versteckt, einige rochen bereits nach der ersten Zigarette des Tages, als sie vorbeiliefen. Niemand beachtete mich. Es war eine Zeit, zu der sich echt niemand mit irgendwem anders beschäftigen will. Wenn du so früh unterwegs bist, hast du was zu tun oder was zu sein, und das ist das Einzige, was dich interessiert.
    Mein Knie machte mir immer noch ziemlich zu schaffen, aber ich wollte nicht stehen bleiben, also ging ich weiter durch die Stadt. Auf einer Treppe saßen ein paar Penner und tranken ihr Spezialbräu zum Frühstück.
    »Alles im Lot, Süße?«, rief einer und hielt mir seine Dose Bier entgegen. Der glaubt, ich bin wie er , dachte ich, ein freundlicher Gruß von Penner zu Penner. Und er hat ja Recht, genau das bin ich.
    »Alles im Lot«, antwortete ich, schaute schnell auf den Bürgersteig, wodurch ich automatisch seinen Blick mied, und ging weiter, über die Dosen steigend, die sich am Fuß der Treppe anhäuften.
    Ich lief die Hauptstraße runter, unter den Girlanden der Weihnachtsbeleuchtung entlang, und fand ganz am Ende den einzigen Laden, der aufhatte – McDonald’s. Ich besaß genug Geld für einen Becher Tee und einen McMuffin mit Ei. Ich hatte den Geruch immer gemocht, den Geruch, der in jedem McDonald’s hängt, doch als ich wartete, dass der Typ hinter dem Tresen meine

Weitere Kostenlose Bücher