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Den Tod im Griffl - Numbers 3

Den Tod im Griffl - Numbers 3

Titel: Den Tod im Griffl - Numbers 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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treffen. Lass es mich gebären. Bind mich jetzt los.«
    »Ich bind dich nicht los. Meinst du, ich bin bescheuert?«
    »Verdammte Scheiße. Was glaubst du, was ich tun werde? Ich habe Wehen, du dämlicher Scheißkerl!«
    Instinktiv hebt er die Hand, um mich zu schlagen, doch als er sie hebt, beginne ich schwer zu atmen, ächze und stöhne vor Schmerz und dem Bedürfnis zu pressen. Er bricht die Bewegung ab, die Hand hängt in der Luft, und er starrt fasziniert auf meinen Bauch. Dann geht er von meinen Beinen, doch weiter bewegt er sich nicht weg. Er steht da und schaut zu.
    Beim letzten Mal war ich allein. Gott, wie ich mir wünsche, ich könnte es diesmal auch sein. Nein, ich wünschte, Adam wär hier. So war das nicht geplant. Ich kann jetzt nicht an ihn denken. Ich kann an gar nichts anderes denken.
    Atmen. Atmen. Atmen. Das ist das Einzige, was ich kann.
    Das Baby schreit. Mein Baby.
    Saul hält das Kind. Seine Hände sind so blutig, als ob er rote Handschuhe trüge. Ist es Blut von dem Baby oder ist es Blut von mir?
    »Ein Mädchen«, sagt er. Er spricht zu sich selbst. »Ein schönes, kräftiges Mädchen.«
    Sie hat die Augen fest geschlossen und schreit sich die Lunge aus dem Hals.
    Ich möchte sie halten. Ich muss.
    Meine Hände kämpfen gegen den Gürtel, mit dem sie zusammengebunden sind. Der Knoten hat sich bereits gelöst und ich winde erst eine Hand frei, dann die andere. Sie sind taub, weil sie unter meinem Rücken waren. Ich bewege die Finger, will, dass ich sie wieder spüre.
    Ich halte die Arme nach vorn.
    »Saul«, sage ich, »lass sie mich halten.«
    Auf einmal schaut er auf, erschrocken, als ob er vergessen hätte, dass ich da bin.
    »Es ist besser, wenn du es nicht tust«, antwortet er, »leichter für dich.«
    Und dann steht er auf und geht fort.
    Ich kann es nicht glauben. Das kann nicht wahr sein. Ich versuche mich zu bewegen, aber es ist unmöglich. Die Schmerzen halten mich am Boden. Überall ist Blut, mehr Blut, als ich bei Mia verloren habe. Es kommen noch immer Wehen.
    »Saul, was tust du? Wo gehst du hin?« Er antwortet nicht. »Sie braucht mich, Saul. Sie braucht ihre Mum. Nimm sie mir nicht weg.« Ich versuche auf die Beine zu kommen, aber die Welt wird rot und dann schwarz hinter den Augen, und als ich wieder zu mir komme, liege ich mit dem Gesicht auf dem Boden. Ich schaue hoch. Saul ist dreißig Meter von mir entfernt. »Saul! Saul! Komm zurück! Bitte!«
    Ich bin jetzt auf Händen und Knien, krieche über Gras, Blätter und Kies. Und dann lässt mich eine neue Wehe erstarren. Die Nachgeburt. Daran hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht. Das, was mein Kind im Mutterleib ernährt hat. Das, was mein Körper jetzt nicht mehr braucht. Es kommt auch raus. Ich kann nichts dagegen tun. Und auf einmal weiß ich, dass ich keine Chance habe, Saul einzuholen.
    Er nimmt mein Baby und ich kann ihn nicht aufhalten. Ich lege meine Stirn auf den Kies. Ich bin selbst zum Weinen zu müde und zu verzweifelt.

ADAM
    Im Tunnel wusste ich, wo Sarah und Mia waren. Ich folgte ihren Spuren, auch wenn ich sie nicht wirklich sehen konnte. Hier draußen wird mir plötzlich klar, dass sie überall sein könnten. Hier draußen ist die Welt groß. Ich glaube nicht, dass sie auf der Wiese geblieben sind, doch als ich mich auf den Weg in die Stadt mache, fühle ich mich noch unsicherer.
    Ich versuche mich in sie hineinzuversetzen. Was würden sie tun? In der Nähe ein Versteck suchen oder weiterlaufen? Nach einem abgeschiedenen Ort Ausschau halten oder sich unter Menschen begeben?
    Sarah war vorhin schon ziemlich wacklig auf den Beinen und Mia ist sowieso nicht die größte Läuferin vor dem Herrn, deshalb gehe ich davon aus, dass sie bald am Ende ihrer Kräfte sein werden. Sie könnten in irgendeinem dieser Häuser sein oder sich zwischen den Müllbergen verstecken.
    Halb gehend, halb rennend bewege ich mich durch die Straßen. Man kann noch erkennen, dass die Stadt mal sehr schön war. Die Fassaden sind hell, der Stein fast honigfarben. Eine ganz eigene Leuchtkraft, selbst in diesem Nebel.
    Ich bin in Bath. In der Stadt, in der mein Dad gestorben ist, in der er von einer großen Kirche gestürzt ist und sich das Genick gebrochen hat. Er war fünfzehn, jünger als ich jetzt. Irgendwann habe ich die Zeitungsausschnitte, die Oma gesammelt hatte, gelesen. Dann habe ich im Internet recherchiert, die Bilder gesehen. Ausgerechnet hier zu sein, erscheint mir wie ein Omen – als ob ich an einen Ort des Todes gekommen

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