Den Tod im Griffl - Numbers 3
bin. Ich will nicht, dass hier noch jemand stirbt. Ich will, dass es Sarah und Mia gut geht.
Ich laufe schneller, springe über Schlaglöcher und Risse in der Straße. Überall stehen verlassene Autos rum. Sarah und Mia könnten sich auch in einem davon verstecken. Soll ich stehen bleiben und nachschauen?
Das ist alles sinnlos. Ich laufe herum wie ein kopfloses Huhn.
Ich brauche Hilfe. Ich muss andere Leute finden, Leute, die die zwei vielleicht gesehen haben.
Von irgendwoher mischt sich Rauch unter den Nebel – Holzrauch. Es riecht wie an den Lagerfeuern, die wir machten, als wir zusammen draußen gelebt haben. Der Geruch bringt die Erinnerung an etwas zu essen und an Gemeinschaft wieder hoch – wie ich, den Arm um Sarah gelegt, mit ihr am Feuer saß und wir zusammen in die Flammen schauten, bis uns die Augen schwer wurden. Feuer bedeutet Menschen. Ich folge dem Geruch und stoße auf einen großen Platz neben der Kirche.
Die eine Hälfte der Kirche ist eingestürzt, doch die Vorderseite ist noch da, ein großes Tor und eine schwere Steinmauer mit Löchern, wo einmal die Fenster waren. Der Bereich davor ist ein Meer von behelfsmäßigen Zelten – eine Flüchtlingsstadt. Dazwischen brennen Feuer, und Menschen laufen herum oder sitzen einfach nur da. Ich betrachte die Szenerie. Was hatten Sarah und Mia an? Gibt es eine Chance, dass ich sie dort finde?
Ich schlängle mich durch die Zeltstadt. Der Boden ist nass und verdreckt. Die Leute hocken im Dreck. Der ganze Ort stinkt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sarah hier geblieben ist, außer vor schierer Verzweiflung. Aber vielleicht hat sie …
Ich gehe auf eine Frau zu, die an einem Feuer kauert und Wasser heiß macht. Ihre Hände sind grau vor Dreck, die Haare verfilzt und verklebt. »’tschuldigung«, sage ich. »Haben Sie eine Frau mit einem Mädchen gesehen, einem kleinen Kind?«
Sie sieht mich an und blinzelt, als würde sie überlegen, ob sie mich schon mal gesehen hat. Dann schüttelt sie den Kopf.
Ich gehe weiter, schaue in die Gesichter, bleibe mal hier, mal da stehen und frage nach Sarah. Inzwischen beobachten mich die Leute. Ein Raunen geht durch das Lager und ich höre, wie mein Name genannt wird. Sie erkennen mich. Ich habe meine sogenannte Berühmtheit schon oft verflucht, doch jetzt kann ich sie nutzen. Ich werde ein Publikum haben, wenn ich es schaffe, dass sie mir zuhören …
Ich stehe mitten in der Menge und hole tief Luft.
»Ich bin Adam«, rufe ich.
Ein paar Leute rufen zurück: »Hallo, Adam!«, und ein Applaus ertönt.
Das überrascht mich. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich weiß nicht, was ich tun, wie ich reagieren soll, deshalb stehe ich bloß da und warte, bis der Lärm verebbt.
»Ich brauche eure Hilfe«, fahre ich fort. »Ich suche zwei Menschen. Eine Frau, kleiner als ich, und schwanger« – ich halte die Hand vor meinen Bauch, um es zu demonstrieren –, »kurz vor der Geburt. Und ein kleines Mädchen. Es ist erst zwei und hat blonde lockige Haare wie ein Engel. Sind sie hier? Habt ihr sie vielleicht gesehen? Hat irgendjemand sie gesehen?«
Großes Kopfschütteln, doch dann meldet sich eine Frau zu Wort.
»Sie waren hier. Sie sind kurz stehen geblieben, aber dann sind sie weitergegangen.«
Ich wirble herum, um zu sehen, zu wem die Stimme gehört, doch in dem Moment öffnet sich der Haupteingang der Kirche und ein Mann kommt heraus. Er trägt zwei Eimer, die in der kalten Luft ein wenig dampfen. Gebrüll hallt über den Platz und die Leute springen auf und stürmen zur Kirche. Der Mann setzt die beiden Eimer ein paar Meter vor der Tür ab und es bildet sich eine Schlange, als er anfängt etwas Heißes in Teller, Schüsseln und alles Mögliche zu füllen, mit dem die Menschen zu ihm kommen.
»Wartet! Wartet noch einen Moment! Wer hat die beiden gesehen? Wer war das?«
Wer immer es war, hat sich im Aufruhr der Fütterung verloren. Ich werde von der Flut mitgezogen. Der Mann mit den Eimern scheint hierher zu gehören, vielleicht weiß er etwas, aber ich komme nicht an ihn ran, um ihn zu fragen. Ich versuche mich gerade zu ihm durchzuzwängen, als ich mit dem Fuß auf etwas Weiches trete. Eine Decke. Eine blau-weiß gestreifte Decke, auch wenn das Blau nass und dunkel ist und das Weiß grau.
Mias Decke.
Sie war hier.
Ich bin an einer Ecke des Platzes, eine Straße führt aus der Ecke raus. Entweder sind sie aus dieser Richtung auf den Platz gekommen oder sie haben ihn dort verlassen. Ich trete aus der
Weitere Kostenlose Bücher