Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
Vom Netzwerk:
welche ich früher schon genannt: Bahrdts Bibel im Volkston, Horus, die Ruinen von Volney, L'antiquite devoilee^^') usw. Wie mich die Ideen gequält, welche aus diesen Schriften gleich scharfen Pfeilen von allen Seiten in das innerste HeiHgtum meiner Seele eindrangen, vermag ich nicht zu beschreiben. Ein Streit meines Verstandes und meines Gefühles begann, und manche wichtige Lehre der Offenbarnng sank unter diesem Kampfgetümmel nieder, und ich vermochte damals nicht, sie wieder in mir zu beleben. Es war ein peinlicher Zustand, dessen ganze Widrigkeit ich empfand, ohne die Macht zu haben, ihn auf irgendeine Weise zu ändern. Zum Freigeist war mein Inneres zu fromm, zu weich, und alte Ideen behaupteten noch immer ihr Recht über meine Seele; zum kindlichen Glauben hatte ich zu viel gelesen, und ihn bald mit Ernst erschüttert, bald mit Witz verspottet gesehen. Gott erbarme sich meiner. Ein tiefer Schmerz mußte mich zu ihm zurückführen.
    Die Taten des Feldzugs von 1789 waren glänzend ^ gewesen, sie verbreiteten einen hellen Schimmer über
    die abnehmenden Lebenstage Kaiser Josefs, der in der vollen Reife männlicher Kraft, noch nicht CO Jahre alt, an einem unheilbaren Überseinem Ende entgegenging. Gewaltig war der Umschwung, den seine Denk- und Handlungsweise seinen Staaten und mit ihnen der Gesinnung seiner Untertanen ge-geben hatte. Ich habe oben, wo von dem Tode seiner Mutter und Vorfahrerin die Rede gewesen, gesagt, daß damals eine neue Zeit für Österreich begonnen habe; und so war es auch, obgleich Kaiser Josef viel-leicht nur, wie manche behaupten, mit eigener Hand die Schranken öffnete, welche seine Untertanen von jenen freisinnigen Begriffen, erhöhten Forderungen und eigenmächtigerm Hervortreten noch trennten, zu welchen sich in Frankreich das Volk selbst gewaltsam Bahn gemacht hatte. Ja, ich habe es mehr als einmal von Männern, welche dies genau zu wissen vorgaben und es wohl auch wissen konnten, gehört, daß Kaiser Josef bei seiner letzten Anwesenheit in Paris, kurz vor dem Ausbruche der Revolution, sich selbst von der Stimmnng des Volkes, von den Umtrieben der Mißvergnügten und den Systemen nnd Entwürfen der Schriftsteller unterrichtet und dadurch die Über-zeugung gewonnen habe, der Neuerung sei nicht mehr zu widerstehen und es sei besser, wenn die Reformen, die nun einmal unumgänglich notwendig geworden, vom Throne selbst ausgehen, als wenn das Volk sie gewaltsam ertrotze. In dieser Überzeugung habe er seine Schwester, die unglückliche Königin Antonie noch treulich, aber leider vergeblich gewarnt, und dann bei sich zu Hause mit großartigem Sinn selbst vorzubereiten und zu verbessern sich bemüht, was er dem mächtig herandrängenden Zeitgeiste gemäß erachtet^^s^,
    8*
    Wie dem immer sei, der unglückliche, von dem blendenden Wahnbild echter Freiheit geäffte Forster, der in Paris als ein Opfer seines Enthusiasmus und der folgenden bittern Enttäuschungen starb^^»), hat in seiner Reise nach Niederland ein Wort über Kaiser Josef gesagt, das mich mächtig ergriff und mir höchst wahr scheint. — Er sagt nämlich: „Aus der Fackel seines (Kaiser Josefs) Geistes ist ein Funke in Öster-reich gefallen, der nie verlöschen wird''^^**). Glänzend, feurig belebend w^ar dieser Funke allerdings; aber wie alles Feuer tat er auch weh, wenn man ihm zu nahe kam, und war ebenfalls von Rauch nicht ganz frei.
    War es Vorgefühl der kurzen Laufbahn, die ihm von der Vorsicht gestattet war? war es innerer stür-mischer Antrieb, der sich durch den Widerstand, den er überall fand, noch mehr erhitzte ? war es über-wiegende Kraft des Verstandes, die das Gefühl oft zum Schweigen brachte — genug, so menschenbeglückend auch Kaiser Josefs Pläne und Vorbereitungen waren, so wenig man in der Idee daran tadeln konnte, so fielen sie doch in der Ausführung oft zu hastig, meist zu hart und schonungslos aus, und es schien öfters, als sollte alles Alte, Langbestandene, Langverehrte bloß deswegen, weil es dies war, niedergerissen werden. Wenn ich jetzt, nach 40 Jahren, auf jene Zeit zurück-blicke, geht mir aus der Vergleichung mit dem, was nun in Frankreich und auch in Deutschland geschieht, erst recht das Verständnis jenes Strebens auf, das-Kaiser Josef in mancher seiner Anordnungen zu be-seelen schien. Das Alte sollte fort — gleichviel ob es schädlich oder nützlich, dem Menschen gleichgültig oder drückend oder wohl gar lieb war — genug, es war alt, und taugte darum nicht mehr in die neue

Weitere Kostenlose Bücher