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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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hast? Ich habe schon länger nicht mehr mit ihr gesprochen …«
    Don Andrea antwortete nicht gleich.
    »Sie muss Medikamente nehmen. Donpezil, Entzündungshemmer …«
    »Hat sie denn wieder solche Aussetzer gehabt?«
    Damit spielte Don Mario diskret auf den Morgen an, als sie um sieben Uhr in Nachthemd und Pantoffeln zur Frühmesse erschienen war. Und als alle aufstanden, hatte sie sich von der Bank erhoben und war nach vorne gekommen, weil sie dachte, es wäre Zeit für die Kommunion. Sie war schon vorne am Altar, ehe eine der Frauen in den ersten Bankreihen begriff, was los war, und sie zurück auf die Bank zog.
    Don Andrea war nicht da, als man sie in ihre Wohnung zurückbrachte, aber die Tür stand sperrangelweit offen. Seine arme Mutter war völlig verwirrt und wusste nicht einmal mehr, wer sie war oder wo sie wohnte. Die Frau aus der Gemeinde, die sie damals zurück auf die Bank gezogen hatte, hatte Don Mario gerufen, und dieser hatte sofort den Notarzt verständigt.
    Das war bislang der einzige Ausfall gewesen, der ihre Alzheimer-Erkrankung ankündigte. Ein fähiger Neurologe hatte ihr die richtigen Medikamente verschrieben und damit den Moment noch etwas hinausgezögert, an dem Don Andrea sich mit einem schwerwiegenden Problem auseinandersetzen musste.
    »Abgesehen von dem einen Mal hat es nie Probleme gegeben. Heute Morgen hat sie sich gewaschen und angezogen. Sie war wie immer, hat mir das Frühstück gemacht und sich von mir verabschiedet, als ich ging.«
    »Wir müssen zu den Carabinieri gehen, Andrea. Du musst gleich eine Vermisstenanzeige aufgeben.«
    Don Mario hatte noch ihr verwirrtes Gesicht vor Augen, den leeren Blick und das Lächeln, vor allem das Lächeln, als diese arme Frau in Nachthemd und Pantoffeln zum Altar schritt. Sie hatte auf ihn wie die groteske Karikatur einer Braut gewirkt.
    »Deine Mutter könnte gerade verwirrt durch die Gegend irren, Andrea. Vielleicht auf einer Hauptverkehrsstraße …«
    »Nein, das glaube ich nicht. Sie hat immer ihre Medizin genommen. Als ich gegangen bin, war sie völlig in Ordnung«, Don Andrea schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, dass es an ihrer Krankheit liegt.«
    »Was könnte es denn sonst sein? Ich ziehe mir den Mantel an, hole die Schlüssel vom Panda, und dann suchen wir sie gemeinsam.«
    Die Schlüssel des Panda! Schlagartig erinnerte sich der Don an zwei Dinge. Der Panda war noch polizeilich beschlagnahmt, deshalb musste er Don Andrea bitten, dass sie seinen Wagen nahmen.
    »Sag mal, Andrea, hast du vielleicht irgendwo meine Wagenschlüssel verloren, die ich dir gegeben habe, damit du notfalls meinen Wagen umparken kannst?«, sagte er und versuchte zu klingen, als sei das nicht so wichtig.
    »Nein, Don. Die Autoschlüssel, Ihre und meine, hängen immer am Schlüsselbrett an meiner Wohnungstür.«
    Die Antwort klang genauso beiläufig. Sogar abwesend. Das lag wohl an der Anspannung, an der Sorge um die Mutter, die seine ganze Aufmerksamkeit fesselte, sagte sich der Priester, dem dabei gar nicht weiter auffiel, dass Don Andrea, der sonst immer so aufmerksam, so exakt war, ihn nicht weiter gefragt hatte, warum er diese Frage gestellt hatte.
     

KAPITEL 96
    Mittwoch, 14. März, 23:00 Uhr
    Eine Überdosis Ketamin. Ob Leonardo jemals erfahren würde, dass er dem Tod zweimal von der Schippe gesprungen war?
    Dieses Mal rettete ihn die Tatsache, dass eine Krankenschwester sich im Zimmer geirrt hatte.
    Sie war aus Versehen in sein Zimmer anstatt ins Nebenzimmer gegangen, wo ein Patient mit einer akuten Bauchfellentzündung lag, dem nach seiner Operation ein Antibiotikum verabreicht werden sollte. Dort war ihr sofort aufgefallen, dass er ganz blass und seine Lippen blau waren.
    Sein Puls war äußerst schwach, und genau in dem Augenblick, als sie seinen Zustand kontrollierte, hatte seine Atmung ausgesetzt.
    Alarm.
    Sofortige Wiederbelebungsmaßnahmen.
    Einer der Ärzte hatte bemerkt, dass aus dem Infusionsschlauch kleine Tröpfchen austraten.
    Ein kleines Loch. Jemand hatte ihm das falsche Mittel gespritzt. Merkwürdig, dabei hatte man ihm keine Medikamente verordnet, nur die Infusionen mit der Nährlösung und den Antibiotika.
    Sofort wurde eine Blutanalyse angeordnet.
    Tausend Einheiten Ketamin.
    Man leitete unverzüglich Gegenmaßnahmen ein. Und rettete Leonardo gerade noch rechtzeitig aus dem Koma. Er war schlagartig erwacht, und mit dem Aufwachen waren auch die Halluzinationen wiedergekehrt.
    Direkt nach dem Erwachen hatte er gezittert wie

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