Denn dein ist die Schuld
dir zu, dass er besonders bewacht werden sollte. Schließlich wissen wir jetzt, dass zwischen den beiden, die ihn aus der Kirche schaffen wollten, und dem Verschwinden der Kinder eine Verbindung besteht. Also, ich meine, man sollte ihn wieder so beschützen wie vor …«
Im gleichen Moment klingelte Vincenzo Marinos Handy, das er beim Verlassen von San Vittore sofort wieder eingeschaltet hatte. Er stand gerade an einer Ampel, griff zu seinem Samsung, und ehe er den Anruf annahm, sah er noch, dass es Tenente Colonnello Sereni war.
Er ging ran.
»Hallo, Glauco«, meinte er leicht verblüfft, da sie sich gerade erst voneinander verabschiedet hatten. »Gibt’s was Neues?«
»Ja. Man hat wieder versucht, diesen armen jungen Mann umzubringen. Haben Ihre Leute Sie nicht darüber informiert?«
KAPITEL 94
Mittwoch, 14. März, 18:00 Uhr
Don Mario war allein in der Pfarrei.
Seit Tagen ging es ihm nicht gut, und er musste ständig auf seine Pillen gegen die Angina Pectoris zurückgreifen, weil der Schmerz in der Brust nicht nachließ. Aber das Schlimmste war dieses Gefühl der Einsamkeit. Sein Hausarrest war aufgehoben worden. Er hatte gedacht, damit sei alles geklärt, aber seit seiner Rückkehr nach Hause hatte er außer der Zugehfrau, die für ihn putzte und das Mittagessen kochte, niemanden mehr gesehen.
Nicht einmal Don Andrea.
Und das bedeutete, dass man ihn immer noch für schuldig hielt.
Traurig überlegte er, wie leicht doch mit einem Schlag Jahre der Arbeit und hingebungsvollen Sorge ausgelöscht wurden. Das hatte er mit seiner Selbstanzeige ausgelöst, und schließlich war er ja offiziell noch nicht entlastet. Er hatte darauf gehofft, nach der Intervention Seiner Eminenz würde sich alles klären, aber leider hatten ihm die Medien jetzt nicht die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt wie bei der aufsehenerregenden Nachricht seiner angeblichen Schuld. Wie auch immer der Fall ausging, dachte er, selbst wenn man die eigentlichen Schuldigen schließlich fand, die Zweifel würde er nicht mehr los. Und was für Zweifel!
So ein Drecksack, dieser alte Priester!
Der ist doch krank im Kopf.
Bestimmt mag der kleine Jungs, das steht aber mal fest!
Er glaubte schon, das Getuschel seiner Gemeindemitglieder zu hören. Das würde das Aus für das Jugend- und Gemeindezentrum bedeuten. Konnte er es den Müttern vielleicht verdenken, wenn sie ihren Kinder jetzt verboten, die Freizeitangebote zu besuchen, den Sport und die anderen Kurse?
Und mit dem Gemeindezentrum würde sich auch der Chor auflösen. Dieses kostbare Gut, das ihm die großzügige Marchesa Costanza Appiani d’Aragona anvertraut hatte.
Beim Gedanken an den Chor hatte er wieder dieses Bild von seinem kurzen Besuch im Krankenhaus vor Augen: Leonardo, blass, mit diesem Beatmungsschlauch im Hals, und die piepsenden Monitore. Der arme Junge. Er war zwar aus dem Koma aufgewacht, aber im Moment wusste niemand, ob er sich je wieder vollständig erholen oder sein Hirn einen bleibenden Schaden davontragen würde.
Die Musik.
Wer weiß, ob er je wieder spielen konnte!
Don Mario erinnerte sich an ihre letzte Begegnung, bevor er niedergeschlagen wurde. An jenem Abend hatte er ihm den Schal zurückgegeben, den er im Panda gefunden hatte.
Der Schal!
Von der Polizei hatte er erfahren, dass man an Ivans Leiche rötliche Faserspuren entdeckt hatte. Eine Mischung aus Wolle und Acryl. Die gleichen Faserspuren wie auf dem Rücksitz seines Fiat Panda.
Ach ja, sein Wagen war immer noch von der Polizei beschlagnahmt …
Jemand hatte Ivan und seine Schwester in seinem Wagen weggebracht. Jemand musste seine Schlüssel genommen haben.
In dieser Gegend der Stadt, wo die Jungs schon mit zwölf Jahren wussten, wie man ein Auto kurzschloss, hatte er in seinem Panda eine komplizierte Alarmanlage installieren lassen, die den Stromkreis jedes Mal unterbrach, wenn man den Motor ausstellte. Dabei war es ihm weniger um seine alte Rostlaube gegangen, nein, er hatte eher verhindern wollen, dass einer der Jungs einen Unfall baute und sich oder anderen damit schadete.
Es gab also keine Möglichkeit, ihn kurzzuschließen. Der Panda startete nur, wenn man den richtigen Schlüssel besaß oder auf die ganz altmodische Tour mit Anschieben.
Nein, wer an jenem Tag den Panda genommen hatte, musste auch einen Schlüssel gehabt haben. Einen hatte er immer bei sich oder er hängte ihn an einen Haken hinter der Eingangstür des Pfarrhauses. Sonst gab es nur noch die Ersatzschlüssel, die er Don
Weitere Kostenlose Bücher