Denn dein ist die Schuld
Dienstagnachmittag von zu Hause entfernt haben.« Und den Carabinieri in den Streifenwagen, den Hundestaffeln, den Männern vom Zivilschutz, die man offiziell in die Suche mit einbezogen hatte, war inzwischen klar, dass es sich keineswegs um Ausreißer handelte und dass die Kinder wohl kaum wieder auftauchen würden.
Eine so offensichtliche Tatsache, dass schon seit dem ersten Nachmittag der Suche nicht nur Hundestaffeln eingesetzt wurden, die auf das Aufspüren von Lebenden spezialisiert waren, sondern auch speziell für Leichen ausgebildete Tiere.
In der Zwischenzeit suchten Taucher den Grund der Bewässerungskanäle zwischen Rozzano und Binasco mit Schleppnetzen ab, wie sie so ähnlich auch beim Thunfischfang eingesetzt wurden.
Die Nachricht vom Verschwinden der Della-Seta-Geschwister war mit Fotos an die Medien weitergegeben worden, eine extreme Maßnahme, aber vielleicht hatte ja doch jemand etwas beobachtet oder wusste etwas.
Drei Kinder, wenn man den kleinen Simonella dazurechnete, waren im Verlauf von wenigen Stunden in derselben Stadt verschwunden.
War da vielleicht ein Rattenfänger wie in den Sagen unterwegs?
Obwohl die offizielle Stellungnahme, die auf den Bildschirmen des Presseraumes im Polizeipräsidium gezeigt wurde, keinen möglichen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen erwähnte, brachte der Fernsehkommentator seine eigene Sicht der Dinge ein und ließ klar erkennen, dass er nicht an ein zufälliges Zusammentreffen glaubte.
»… die Staatsanwaltschaft gibt sich zugeknöpft. Für Laura und Luciano Simonella, die Eltern des kleinen Giovanni, sind dies Stunden der Angst. Sie klammern sich an die spärliche Hoffnung, dass jeden Augenblick das Telefon klingeln wird. Aber dieser Hoffnungsstreif wird immer dünner, je mehr Zeit vergeht. Im Fall Giovannis, der, wie wir uns erinnern möchten, erst sechs Monate alt ist und aus einer wohlhabenden Familie stammt, besteht die Möglichkeit, dass seine Entführer sich mit einer Lösegeldforderung melden, aber für die Geschwister Ivan und Martina Della Seta gibt es nicht einmal diese Hoffnung. Sie kommen aus sehr bescheidenen Verhältnissen, und eine Erpressung ist hier kaum denkbar.
Der erst elf Jahre alte Ivan musste sich allein um seine kleine Schwester kümmern. Er wurde zum letzten Mal um 18 Uhr am 6. Februar von den Lehrerinnen der Grundschule Tito Speri in Rozzano gesehen, die seine Schwester besucht. Von da ab fehlt von den Kindern jede Spur.
Giovanni Simonella und die Geschwister Della Seta gehören völlig unterschiedlichen Welten an. Auf der einen Seite die Wohnviertel der Reichen, auf der anderen eine arme Vorstadtgegend. Trotzdem fällt es schwer zu glauben, dass es keine Verbindung zwischen ihren Schicksalen gibt. Heute, beim Gipfel in der Staatsanwaltschaft, hat man die Staatsanwälte Carlo Maria Salvini und Laura Scauri Seite an Seite gesehen, die offiziell getrennt in den Entführungsfällen ermitteln. Inzwischen befassen sich auch Spezialabteilungen der Polizei und die Carabinieri mit den Ermittlungen …«
Die Hintergrundberichte von Primo piano brachten den Italienern eine in Tränen aufgelöste Annamaria Donadio in ihre Wohnzimmer, allerdings mit glänzend blau geschminkten Lidern und frisch gemachten Haaren.
Aus Rom hatte man eine auf Kinder- und Jugendprobleme spezialisierte Psychologin zugeschaltet, die die traurigen Ereignisse kommentieren sollte und kein gutes Haar an der unglückseligen Mutter ließ. Annamaria wurde dafür verurteilt, dass sie einem Elfjährigen die Aufgabe übertragen hatte, mit seiner sechsjährigen Schwester an der Hand allein quer durch die Stadt zu fahren.
Das war ja wohl ein klarer Fall von Vernachlässigung!
Auf Primo piano folgte Porta a porta .
Die übliche Talkshowbesetzung aus Erziehern, Soziologen, Kriminologen, Müttern und sogar einem Jugendrichter. In Bruno Vespas Arena wurde Annamaria schutzlos den Löwen und Hyänen zum Fraß vorgeworfen.
Als man sie ganz offen beschuldigte, sie würde mit einem Vorbestraften zusammenleben, der sie schlug und wer weiß was mit den Kindern anstellte, brach sie in Tränen aus. Doch bevor man hastig einen Werbeblock einblendete, konnte sie noch etwas sagen.
»Ihr Schweine, ihr verdammten Schweine!«
Als die Sendung nach der Werbung fortgesetzt wurde, blieb ihr Stuhl leer, und die Gäste diskutierten ohne sie weiter über das Thema: Wie viele Frauen wie Annamaria mochte es in Italien geben?
Wie viele Mütter, fragte sich der Richter, trafen wie
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