Denn dein ist die Schuld
vollkommen teilnahmslos entgegen. Bei dermaßen faszinierenden Kriminalfällen erreichten sie solche Anrufe dutzendweise, und er hatte die Aufgabe, sie zu sortieren und an die verschiedenen Abteilungen weiterzuleiten. Gewann er den Eindruck, dass jemand log, um Aufmerksamkeit zu erregen, übergab er ihn an das Büro für Öffentlichkeitsarbeit. Dann mussten die beurteilen, ob das Gespräch ernst zu nehmen war. Doch diese Signora, die mit ein wenig zitternder Stimme, aber präzise und sachlich ihren Fund beschrieb, ließ bei ihm sämtliche Alarmglocken schrillen.
»Bleiben Sie bitte am Apparat.«
Er legte den Anruf eine gute Minute in die Warteschleife, um in der Zwischenzeit mit der Einsatzzentrale zu telefonieren, dann nahm er das Gespräch wieder auf.
»Fassen Sie nichts an, Signora. Verlassen Sie den Raum, schließen Sie ihn ab, wenn möglich, und warten Sie auf uns. Wir schicken sofort einen Wagen.«
»Ja, sicher, ich schau mir immer La Squadra und SiEsAi an. Ich weiß schon, was zu tun ist. Ich bin schon rausgegangen, habe abgeschlossen und warte draußen. Beeilen Sie sich bitte. Pöra tuseta «, sagte sie noch in breitem Mailänder Dialekt. Arme Kleine.
Zehn Minuten später fuhr ein Streifenwagen mit lautem Sirenengeheul, gefolgt von Marinos Wagen, im Hof der Caritas von Lambrate vor.
Es handelte sich tatsächlich um Martinas Kleidung.
Ihre Mutter, die man mit einem Streifenwagen von zu Hause abgeholt und eilig ins Polizeipräsidium gefahren hatte, identifizierte sie zwei Stunden später. Annamaria genügte ein kurzer Blick, dann nickte sie wortlos.
Sobald Martinas Mutter begriffen hatte, dass sie die Kleidungsstücke vor sich hatte, die sie ihrer kleinen Tochter am Morgen vor ihrem Verschwinden angezogen hatte, sackten ihr die Beine weg. Die Beamten, die sie in die Asservatenkammer des Präsidiums begleitet hatten, waren nicht schnell genug, um sie aufzufangen. Als sie heftig auf den Boden prallte, zog sie sich eine Wunde an der Kopfhaut zu.
Während ein Beamter geistesgegenwärtig einige Tropfen ihres Blutes mit einem Spezialpapier auffing, damit man sie später für einen DNA-Vergleich verwenden konnte, rief sein Kollege einen Krankenwagen. Annamaria wurde halb bewusstlos in die Notaufnahme des Krankenhauses Fatebenefratelli gebracht, eigentlich hatte sie noch Glück im Unglück, denn so blieb ihr wenigstens der Anblick des Baumwollslips mit dem geronnenen großen Blutfleck erspart und des ebenfalls blutbefleckten, vorn zerrissenen Unterhemds.
KAPITEL 39
Dienstag, 13. Februar, 18:00 Uhr
Don Mario nahm seinen Wagen und fuhr in Richtung Pieve Emanuele, eines Orts, der an der Strada Statale dei Giovi auf dem Weg nach Pavia lag.
Die Werkstatt lag hinter einem schmalen, zwischen zwei heruntergekommenen Plattenbauten eingepferchten kleinen Hof. Ein so feuchtes Loch, dass sich an den Außenmauern grünes, schleimiges Moos entlangzog wie an den Innenwänden eines Brunnens. Don Mario hatte einige Mühe, mit seinem Wagen, der über keine Servolenkung verfügte, dorthin zu gelangen, da die Neunziggradkurve zur Werkstatt schwer zu nehmen war.
Die Neonreklame über der Werkstatt leuchtete auch an diesem hellen, sonnigen Tag. Drinnen war es eng, es stank nach Motoröl, aber alles wirkte äußerst ordentlich. Ein Brett mit vielen Schraubenschlüsseln, alle Werkzeuge perfekt aufgereiht, eine freie Hebebühne, der Boden zwar mit Ölflecken überzogen, aber sauber gefegt, an der Wand der unvermeidliche Kalender mit den nackten Mädchen und im Hintergrund ein winziger Raum, kaum mehr als eine Abstellkammer. Durch eine Glastür sah der Pfarrer dahinter einen Schreibtisch, an dem eine junge Frau saß und telefonierte.
Don Mario legte die Wagenschlüssel aufs Armaturenbrett, stieg aus und ging in Richtung Werkstatt.
»Sie wünschen?«, fragte die junge Frau, ohne ihn anzusehen.
»Ich habe ein Problem mit meinem Wagen. Eines meiner Gemeindemitglieder hat mich zu Ihnen geschickt. Das ist doch die Werkstatt von Mauro Dinuccio, oder?«
»Der Chef ist nicht da. Kommen Sie morgen ab neun Uhr wieder.«
Mit dieser schroffen Abfuhr hatte sie seine Frage zumindest beantwortet.
»Hören Sie, ich möchte den Wagen gern hier stehen lassen, da die Anzeige für den Ölstand leuchtet. Wenn ich jetzt wieder losfahren muss, könnte mir der Motorkopf kaputt gehen.«
»Sie können ihn aber nicht hierlassen. Der Chef will so was nicht.«
Um ihm begreiflich zu machen, dass für sie das Gespräch damit beendet war, drehte sich
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