Denn dein ist die Schuld
schubsten und stießen sich die Männer gegenseitig beiseite, ihre schnellen Schritte hallten laut auf dem Beton.
Sobald sie wieder im Freien waren, rannten sie zu den geparkten Autos, sprangen hinein, und als sie überstürzt losfuhren, spritzten überall Kies und Schlamm auf.
Die beiden Opel rasten mit Vollgas nach Mailand zurück und fuhren erst langsamer, als sie die erste bewohnte Ansiedlung passierten. Sie bemühten sich, die Geschwindigkeitsbegrenzung im Ortsbereich einzuhalten, weil sie nicht gern in eine Radarfalle geraten wollten, und sobald sie die letzten Häuser hinter sich gelassen hatten, signalisierte das vordere Auto, dass man bei nächster Gelegenheit anhalten wollte. Der Hintermann antwortete mit der Lichthupe, dass er verstanden hatte.
An der nächsten Parkbucht hielten die beiden Autos hintereinander. Die Männer stiegen aus, um sich zu beraten. Es gab ein paar Spannungen, die einen wollten anonym beim Notruf der Carabinieri ihre Entdeckung melden, die anderen waren dagegen.
Warum noch eine Anzeige riskieren, nur um diesen Mistkerlen einen Gefallen zu tun, die unsere Frauen und unsere Kinder nicht in der Nähe ihrer verdammten Häuser haben wollen?
Darum! Es muss sein, basta und Schluss.
Warum?
Weil auch wir Kinder haben.
Schließlich siegte die Meinung des Ältesten.
Gabriel sollte bei den Carabinieri anrufen, da er der Einzige unter ihnen war, der gut Italienisch mit einem leichten süditalienischen Anklang sprach, weil er viele Jahre in der Gegend von Pozzuoli gelebt hatte. Ein ordentlicher Anruf, wie jeder brave Staatsbürger ihn machte, mit allem Drum und Dran wie Namen und Vornamen nennen.
Warum rufen wir nicht anonym an und verschwinden?
Weil wir da drin überall Fingerabdrücke hinterlassen haben. Abhauen wäre falsch. Stimmt’s?
Stimmt!
Nach dem Anruf würden sie vor Ort auf die Policjia warten, um ihre Pflicht bis zu Ende zu erfüllen, denn sie waren Roma und hatten ihren Stolz. Danach würden sie zum Lager zurückkehren, ihre Frauen, Kinder und das ganze Gepäck einladen, Hunde, Ziegen und Hühner, die Wohnwagen an die Kupplungen anhängen und schnell wie der Wind verschwinden und, ohne anzuhalten, bis in die Karpaten fahren.
Denn sie wollten nicht einmal die gleiche Luft atmen wie jemand, der zu so schrecklichen Dingen fähig war wie denen, die sie im Keller entdeckt hatten.
Etwas so Fürchterliches, das kein Roma es jemals begreifen konnte. Nicht einmal, wenn er bis zur Oberkante mit Slibowitz abgefüllt war.
Das brachte nur ein Gadjo fertig.
KAPITEL 45
Donnerstag 15. Februar, 19:00 Uhr
Regionalnachrichten
Drogen: Einstiegsalter sinkt. Jetzt sterben schon Kinder
»Heute am späten Vormittag wurde in einem verlassenen Gehöft vor den Toren Mailands der leblose Körper eines etwa zehnjährigen Jungen aufgefunden, der wahrscheinlich schon seit etwa zehn Tagen tot ist: In einem seiner Arme steckte noch die Nadel mit dem letzten Schuss, der ihm vermutlich den Tod gebracht hat.
Er wurde von einer Gruppe Roma gefunden, die auf der Suche nach einem Unterschlupf für ihre Familien waren, da man sie aus dem Auffanglager von Opera vertrieben hatte. Die Leiche wies am Gesicht und an den Armen Rattenbisse auf. Darüber, warum der Junge sich an diesem Ort befand, und über die genaueren Umstände seines Todes kann man im Augenblick nur Vermutungen anstellen, da die stellvertretende Staatsanwältin von Mailand, Laura Scauri, die mit den Ermittlungen betraut ist, keine Erklärung darüber abgeben wollte.
Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass Dottoressa Scauri mit den Ermittlungen im Fall Ivan und Martina Della Seta befasst ist, den Kindern, die vor etwa zehn Tagen in Rozzano verschwunden sind. Die Tatsache, dass ihre Anwesenheit am Fundort der Leiche erforderlich war, könnte bedeuten, es gibt begründete Verdachtsmomente, dass es sich bei dem Toten um eines der beiden Kinder handelt. Wahrscheinlich um Ivan, obwohl man für eine endgültige Antwort die Ergebnisse der Autopsie und des DNA-Tests abwarten muss. Für den Moment weiß man nur eins genau: Das Opfer wurde an diesem Ort gefangen gehalten, an der Tür des Raumes, in dem die Leiche inmitten von gebrauchten Spritzen gefunden wurde, hatte jemand erst vor kurzem ein schweres Vorhängeschloss angebracht.
Das Gehöft, in der Gegend als ›Cassina Molinaccia‹ bekannt, liegt von Mais- und Reisfeldern umgeben und kann nur über einen etwa drei Kilometer langen unbefestigten Feldweg erreicht werden, der sich zu
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