Denn dein ist die Schuld
verstanden. Und was sollen wir jetzt mit dem machen?«
»Entsorgen. Ich sag euch bald Bescheid.«
»Oh nein, verflucht noch mal. So geht das nicht. Mein Partner will von dieser ganzen Scheiße nichts mehr wissen. Wie soll ich das denn allein bewerkstelligen?«
»Das fragen Sie mich? Also, ihr steckt alle beide bis zum Hals in der Sache. Entweder ihr löst das Problem gemeinsam oder ihr stellt euch schon mal darauf ein, dass ihr für längere Zeit in den Bau wandert, falls ihr das Ganze überhaupt überlebt. Fang schon mal an, für die Anwaltskosten zu sparen.«
»Scheiße, Scheiße, Scheiße! Aber ich … Hallo? Hallo?«
Schweigen. Die Verbindung war unterbrochen worden.
KAPITEL 66
Dienstag, 27. Februar, 23:45 Uhr
Die dritte Nacht auf der Straße. Ispettrice Sandra Leoni hatte allmählich die Nase voll. Das einzig Positive, was sie bis jetzt über ihren Undercover-Einsatz sagen konnte, war, dass sie bislang noch keinen Kontrollversuch seitens ihrer »Geschäftspartner« mitbekommen hatte, also von Santo, Olga und Konsorten.
Kein falscher Freier.
Keine Nummer im Stundenhotel.
Kein verdächtiges Handygespräch von den beiden Hühnern, Susie und der anderen.
Die, dachte sie, interessiert nur das Geld, das ich ihnen jeden Abend in den Rachen werfe.
Dreihundert Euro am Sonntag.
Zweihundert am Montag.
Das Geld brachten ihr die Kollegen. Jedes Mal ein Neuer in einem anderen Wagen. Vor Mitternacht und gegen drei Uhr morgens.
Mit den echten Freiern oder besser gesagt potenziellen echten Freiern hatte die Ispettrice nie Probleme bekommen. Es war ihr bisher noch jedes Mal gelungen, sie abzuwimmeln. Nur bei einem Typ, der in der ersten Nacht gegen drei Uhr zu ihr kam, war sie ein wenig besorgt gewesen.
Der Mann, er war um die fünfzig, hatte sich sofort im Zimmer des Stundenhotels ausgezogen und ihr gesagt, dass er eigentlich ein Stammkunde von Karola sei und dass er Lust hatte, die Neue auszuprobieren. Auch bei ihm hatte die Leoni die Ausrede vom fehlenden Präservativ vorgeschoben, aber ohne zu erwähnen, dass sie HIV-positiv war, denn wenn er das ihrer »Kollegin« weitererzählte, würde sie eventuell Probleme bekommen.
Sie würden sie zumindest verprügeln oder ihr das Gesicht zerschneiden. Und dann würden sie sie nicht mehr arbeiten lassen.
»Wie schade«, sagte sie, nachdem sie hektisch in ihrer Tasche gewühlt hatte. »Ich habe gedacht, ich habe noch eins, aber jetzt doch nicht. Du hast Auto. Warum du mich nicht fährst zu Nachtapotheke? Ich dann kann gleich kaufen Spray gegen Herpes.«
»Wie jetzt, hast du etwa Herpes?«, fragte der Kerl sie mit weit aufgerissenen Augen. Daraufhin sprang er auf und zog sich hektisch die Hosen an. »Verfluchte Schlampe, warum lassen die euch denn ohne ein Gesundheitsattest auf den Strich?«
Sandra Leoni wartete ruhig ab, bis er wieder komplett bekleidet war, dann sagte sie gelassen: »Also, ich nicht habe gesagt, ich habe Herpes. Nur gesagt, ich benutze Spray zur Vorsicht …«
Der Mann war bereits in der Tür, da schrie sie ihm hinterher: »Ich nur vorsichtig, denn vielleicht du hast Herpes …«
»Halt den Mund, verfluchte Schlampe! Jetzt ist mir die Lust vergangen. In die Apotheke kannst du alleine gehen!«, brüllte ihr der Mann zu, ehe er die Tür hinter sich zuknallte.
Sandra Leoni musste daraufhin zu Fuß zurück zu ihrem Stammplatz. Anderthalb Kilometer an der Rückseite des dunkelsten, unheimlichsten und menschenleersten Parks Mailands entlang, wo die Umrisse der Bäume sich schwarz auf schwarz abzeichneten und in den Büschen kleine geheimnisvolle Tiere waren und raschelnde, flüsternde, zischelnde Geräusche von sich gaben. Vor ihr die Dunkelheit und unter den hohen Absätzen der Stiefel vom Nieselregen rutschiger Asphalt, von dem kalter Nebel aufstieg.
Na ja, es gibt Schlimmeres, tröstete sie sich. Zum Beispiel dem Freier nach einem Abstecher bei der Apotheke zu erklären, warum sie es immer noch nicht mit ihm treiben wollte.
An diesem Dienstag war Karola wieder von dem Mann mitgenommen worden, der sie ein-, zweimal die Woche gleich für eine ganze Nacht buchte, für »sechshundert plus hundert für das Zimmer«. Lenij und Susie blieben allein zurück und standen sich die Beine in den Bauch, denn es war eine feuchtkalte Nacht, in der nichts los war. Fast kein Mensch unterwegs, und von den wenigen Leuten war keiner an ihnen interessiert.
Irgendwann beschlossen die beiden Frauen, ihr Glück an der Ecke Fulvio Testi zu versuchen, einer stark
Weitere Kostenlose Bücher