Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
»Suchen Sie jemanden?«
»Ich will nur alte Erinnerungen auffrischen. Als Kind habe ich hier gewohnt.«
Eliza deutete auf das Haus, in dem sie aufgewachsen war und das sie nie richtig zu schätzen gewusst hatte, bis ihre Familie beschloss auszuziehen. Hätten sie bleiben können? War es falsch gewesen, sich von ihrem Leben vor Walter zu trennen? Allzu ungewöhnlich war ihr Name nicht. Und die Medien hatten früher nicht so ausführlich berichtet. Sie war nicht Patricia Hearst. Wenn sie dieser Frau ihren Mädchennamen – was für ein altmodischer Begriff, aber in ihrem Fall genau zutreffend – nennen würde, würde er ihr wahrscheinlich nichts sagen. Wer merkte sich auch schon Namen? Die Braut, die ihre Entführung vorgetäuscht hatte, das ermordete Mädchen aus Aruba und das aus Italien hatten es alle in die Schlagzeilen geschafft, aber Eliza hätte ums Verrecken keinen ihrer Namen nennen können.
»Jetzt bekommt man hier kaum noch etwas«, sagte die Frau. »Die Häuser sind verkauft, bevor sie auf den Markt kommen.«
»Trotz der Hypothekenkrise?«
»Die Häuser hier verlieren nie ihren Wert«, sagte die Frau. Eliza kam sich wie eine Ketzerin vor, weil sie auch nur angedeutet hatte, etwas so Banales wie die Weltwirtschaft könnte Roaring Springs beeindrucken.
»Wie viel kosten sie denn mittlerweile?«
Nach dem Blick der BMW -Fahrerin zu urteilen, war Eliza von Frevlerin zu schlicht ordinär abgerutscht. Die Frau raunte: »Ich habe gehört, dass die Mitchells beinahe fünfhunderttausend bekommen haben.«
Die Summe war lächerlich niedrig, verglichen mit dem, was Peter für ihr Haus in Bethesda bezahlt hatte, und gleichzeitig erschreckend hoch. Elizas Eltern hatten in den Siebzigern nicht mehr als vierzigtausend Dollar bezahlt und waren sich wie Raubritter vorgekommen, als sie das Haus 1986 für hundertfünfundsiebzigtausend Dollar verkauften. Wir hätten hier wohnen können , dachte Eliza. Das Pendeln hätte funktioniert. Iso und Albie hätten Elizas alte Schule besucht, wären auf der Frederick Road zur Zweigbibliothek in Catonsville gelaufen und hätten im alten griechischen Imbiss Gyros gegessen, auch wenn das Gyros in Maryland mit den Falafeln, die sie aus London kannten, nicht mithalten konnte.
Sie hätten auch am Sucker Branch spazieren gehen und durch den Park laufen können. Erlauben Eltern ihren Kindern so etwas heute noch? Nein, wahrscheinlich nicht. Aber das bremste Elizas Fantasie nicht. Der Gegend, dem Park hatte sie nie die Schuld gegeben. Nein, das Problem mit ihrem Anfall von Nostalgie war, dass ihre Kinder die Gegend zurückerobern sollten, die sie selbst aufgegeben hatte, Elizabethland, das Reich ihrer frühen Jugend. Und wenn die beiden in Elizas Vergangenheit stolpern würden, müsste sie ihnen von dem Mädchen erzählen, das sie früher gewesen war. Die Kinder wussten nichts von einem Haus zwischen dem in Baltimore und dem, das die Lerners jetzt besaßen. In ihrer Familiengeschichte fehlte ein ganzes Kapitel, und Elizas Kinder hatten es nie bemerkt.
»So viel«, sagte sie zu der Frau im BMW und riss die Augen auf, um sich beeindruckt und sehnsüchtig zu geben. Zum Teil war sie das sogar. Sie und Reba machten kehrt und verließen die Gegend. Sie hatte das Gefühl, die Frau würde ihnen nachsehen. Das störte sie nicht. Es war gut, wachsam zu sein. Das Recht darauf würde sie niemandem absprechen.
Als sie wieder Maudes vorübergehendes Grab erreichte, blieb sie stehen und betrachtete den Blumenstrauß. Das war sehr traurig, aber was sollten die Eltern der vermissten Mädchen tun? An welchem Ort sollten sie ein Zeichen hinterlassen, wohin sollten sie gehen? Ich werde reden , hatte Walter versprochen. Ich werde über Dinge reden, über die ich sonst nie rede. Aber war es ihre Pflicht zuzuhören?
Teil V
Holiday
1983 veröffentlicht
Erreichte Platz 16 in der Billboard Hot 100
Hielt sich 20 Wochen lang in der Billboard Hot 100
Kapitel 33
»Ein Gefängnis ist eine Welt für sich«, sagte Jefferson D. Blanding, Walters Anwalt. »Festgefahren, mit eigenen Regeln und Verfahrensweisen. Die machen für niemanden gern eine Ausnahme.«
»Das habe ich bei meinem Anruf schon gemerkt«, sagte Peter. »Deswegen sind wir hier. Wir haben gehofft, dass es mehr bringt, wenn wir es von zwei Seiten versuchen.«
»Hier« war Blandings Kanzlei in Charlottesville in Virginia, nahe der Main Street Mall mit ihrer Backsteinfassade. Es war Freitag, und die Kinder hatten einen Lehrertag, was bedeutete,
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