Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
alles eine Lösung, wenn man …«
»Nee«, meinte der Wachmann. »Muss nicht gibt’s nicht. Keine Besuche heute. Sie können in zwei Wochen wiederkommen.«
Am liebsten hätte Eliza den Kopf aufs Lenkrad gelegt und geweint. Sie tat es nur nicht, weil sie nicht sicher war, ob sie wegen der Familien weinen würde, die sie eigentlich trösten wollte, oder weil sich ihre eigenen egoistischen Wünsche nicht erfüllten. Unwillkürlich kam ihr der Gedanke, sie würde an ihrer Unaufrichtigkeit scheitern, das hier wäre nie passiert, wenn sie offen und ehrlich eingestanden hätte, was sie hier erreichen wollte. Gegenüber Peter, gegenüber Vonnie. Und gegenüber sich selbst.
»Reiß dich zusammen«, zischte Vonnie. Eliza merkte, dass ihr eine Träne über die Wange rann. »Wir müssen nur einen Umweg nehmen, mehr nicht. Vertrau mir, ich bringe dich da rein.«
Am Ende behielt Vonnie recht, allerdings bekam sie nicht die Genugtuung, das dem unbeirrbaren Wachmann später unter die Nase zu reiben. Und Eliza wusste, dass sie das zu gern getan hätte. Ihre Schwester war einfach keine gute Gewinnerin.
Dafür war sie eine geschickte Strategin mit gesunden Instinkten. Als Erstes verlängerte sie ihren Aufenthalt in Richmond, wo sie den ganzen Samstag und bis in den Sonntag hinein fieberhaft an ihrem iPhone und MacBook arbeitete, oft gleichzeitig. Walter sollte Sonntagabend nach Jarratt verlegt werden, wo sich die sogenannte Todeskammer befand. Besuche wurden dort nur selten gestattet, selbst Anwälten, hatte Jefferson Blanding sie gewarnt, und tatsächlich wurde Elizas Anfrage von jeder Stelle in der Gefängnisbehörde abgelehnt. Zum Teil war sie beinahe erleichtert. Sie würde Walter schließlich doch nicht gegenübertreten, und das nicht aus eigener Schuld. Sie hatte versucht, das Richtige zu tun. Konnten sie sich nicht damit zufriedengeben und nach Hause fahren? Das fragte sie auch Vonnie, die das Bed & Breakfast zu ihrer Kommandozentrale umfunktioniert hatte, fluchend über die unzuverlässige Internetverbindung Nummern heraussuchte und Mails an befreundete Journalisten schrieb, die wussten, wie man Leute auch am Wochenende auftreiben konnte.
»Willst du das?«, fragte Vonnie. »Ich mache das hier für dich.«
»Ich weiß nicht. Ich wollte ihn nicht sehen, aber – wenn es noch mehr Mädchen gibt, haben ihre Eltern und Verwandten dann nicht verdient, es zu wissen?«
»Verdient ist ein hartes Wort. Wahrscheinlich wäre es für sie wirklich besser, wenn sie es wüssten. Und für andere wäre es besser, nicht mehr auf Walter Bowman zu hoffen, sozusagen. Aber du bist nicht dafür verantwortlich. Lade dir das nicht auf, wenn es zu viel ist.«
»Das ist es nicht. Ich schaffe das, und ich sollte es tun.«
»Dann rufe ich weiter an.«
Vonnie, die sich jetzt an Politiker wandte, gab sich bedeckt. Was Eliza mit ihrem Besuch erreichen könnte, verriet sie erst, als sie bis in die Chefetage vorgedrungen war, bis zum Stabschef des Gouverneurs. Eliza wusste nicht einmal genau, mit wem Vonnie gerade sprach, als sie endlich sagte: »Es gibt da noch etwas, das Sie wissen sollten.« Vielleicht sogar mit dem Gouverneur selbst. Vonnie brummte nur immer wieder: »Mm-hm, mm-hm«, machte sich ein paar Notizen und hing lange in Warteschleifen, bis sie sich schließlich auf ihre knappe Art verabschiedete.
»Du bist drin. Aber du musst dich an ein paar Regeln halten. In der Einrichtung gelten andere Sicherheitsvorschriften, deswegen der ganze Aufstand. Du sprichst mit ihm nicht durch Glas, sondern durch ein Gitter. Der Wachmann wird mit Klebeband eine Grenze auf dem Boden markieren, die du nicht übertreten darfst. Verstanden? Du darfst dich ihm nicht auf Armeslänge nähern, sonst zieht dich der Wachmann zurück, und die Sache ist vorbei.«
»Kein Problem. Sonst noch was?«
Vonnie zögerte. »Außerdem sollen wir das Gespräch aufnehmen.«
Wir. Das klang in Elizas Ohren gut. »Ist das legal?«
»Wenn nicht, ist es ihr Problem. Ich könnte sowieso mitschreiben. Mein Steno ist ziemlich gut. Der letzte Punkt ist, dass wir Montag ganz früh da sein sollen, sobald er gefrühstückt hat. Dann haben sie einen ganzen Tag Zeit, auf das zu reagieren, was Walter dir erzählt.«
»Wie denn zu reagieren?«
»Sagen wir mal, er gesteht dir, ich weiß nicht, vier weitere Morde. Soweit ich es verstanden habe, wollen sie alle Familien kontaktieren können, um ihnen zu sagen, was passiert ist, und dann sollen die Familien zustimmen, dass es keine
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