Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
und Brutalität. Er hatte beschlossen, sie nicht zu töten. Was hätte sie aus diesem Wissen machen können? Hätte sie Holly doch retten können? Hatte sie Macht besessen, die sie nicht einmal erahnt hatte? Besaß sie jetzt Macht? Vor weniger als vierundzwanzig Stunden hatte nur eine Handvoll Menschen gewusst, was Walter ihr versprochen hatte – glaubte sie zumindest. Lief sie in eine Falle? Folgte sie wieder einmal dem Sucker Branch und würde bald über etwas stolpern, das sie besser nicht sehen und nicht wissen sollte, entfernte sie sich zu weit vom Weg?
So oder so: Es war zu spät, um umzukehren.
Teil VIII
Voices Carry
1985 veröffentlicht
Platz 8 in der Billboard Hot 100 am 13. Juli 1985
Hielt sich 21 Wochen lang in der Billboard Hot 100
Kapitel 45
In Greenville galten noch strengere Sicherheitsauflagen als in Sussex, mit Kontrollpunkt um Kontrollpunkt, Durchsuchung um Durchsuchung. Damit musste man wohl rechnen, schätzte Eliza, wenn man einen Ort mit einer Todeskammer besuchte.
Einen Gegensatz zu der restlichen Anlage bildete das Gebäude selbst, ein kleiner Gefängnisbau mit einem Aufseher hinter einem Schreibtisch und nur einer Zelle.
»Das sieht ja aus wie damals in der Andy Griffith Show «, sagte Eliza. Sie starrte auf die aufgeklebte Markierung zu ihren Füßen, weil sie noch nicht bereit war, den Mann in der Zelle anzusehen. »Wo sie diesen Säufer Otis einsperren.«
»Wenn Otis sterben würde, dann ja«, entgegnete Walter mit freundlichem Tonfall. »Da drüben kannst du die Todeskammer sehen.«
Sie blickte zur Seite. Dann – und erst dann – sah sie Walter direkt an. Er war immer noch recht schlank, aber größer, als Eliza erwartet hatte. Größer und jünger. Er war wie besessen gewesen von seiner Größe und hatte steif und fest behauptet, er sei eins fünfundsiebzig groß, obwohl Eliza mit ihren eins sechzig der festen Überzeugung gewesen war, er könne höchstens zehn Zentimeter größer sein als sie. Eliza fiel ein, wie er einmal in einem Katalog ausgiebig Fotos von Herrenschuhen mit hohen Absätzen betrachtet und sie gefragt hatte, was sie davon hielt. Damals hatte sie schon genug Zeit mit ihm verbracht, um einen Widerspruch so verpacken zu können, dass er Walter nicht auffiel. Sie sagte ihm, die Schuhe seien toll (sie waren scheußlich), aber schon zu modisch, sie würden so schnell unmodern werden, dass er sie nicht lange tragen könnte. Herrenschuhe seien gut gearbeitet, plapperte sie nach, was ihr Vater einmal gesagt hatte. Bei der Erinnerung daran verspürte sie einen Kloß in der Kehle. Männer sollten Schuhe kaufen, die lange hielten. Ähnliche Gespräche führten Walter und Elizabeth auch über ein Kölnischwasser, von dem er glaubte, es würde ihn unwiderstehlich machen, und über die Frage, ob er ein T-Shirt mit einem weißen Blazer anziehen sollte, so wie Don Johnson in Miami Vice . »Nicht nach dem Labor Day, dann ist der Sommer vorbei«, riet sie ihm und fragte sich dabei, ob sie am nächsten Memorial Day, dem Beginn der Sommersaison, immer noch bei ihm sein würde. Wahrscheinlich würde er dann fragen, ob er Leinenhosen und Slipper ohne Socken tragen durfte. Er war klein gewesen, und jetzt schien er sie zu überragen, trotz der klobigen Absätze unter ihren Stiefeln. Konnten Erwachsene noch größer werden? Hatte er sich eine aufrechtere Haltung angewöhnt? Oder sackte sie in seiner Gegenwart schlicht und einfach zusammen?
Und sein Gesicht – ohne Sonnenlicht zu leben hatte seine Vorteile. Walter war blass, seine Haut auffallend glatt, seine grünen Augen strahlten. Auch von seinem guten Aussehen hatte er so oft angefangen, dass es schon langweilig wurde. Er hatte nicht unrecht. Aber auch nicht ganz recht. Er hätte eigentlich attraktiv wirken müssen, doch er hatte etwas an sich, etwas Unterschwelliges, das ihr schon mit fünfzehn aufgefallen war. Nicht wie ich , hatte ihr Verstand registriert. Niemand, den ich kennen würde.
Andererseits hatte Holly das gleiche Urteil über sie gefällt.
»Hallo, Walter«, sagte sie, obwohl sie ihn bereits beim Hereinkommen begrüßt hatte. »Das ist meine Schwester.«
Vonnie nickte ihm zu und starrte ihn unverwandt, beinahe unhöflich an. Eliza fiel auf, dass Vonnie ihn noch nie persönlich gesehen hatte. Ihre Eltern kannten ihn aus dem Gericht, aber Vonnie war zu dieser Zeit an der Universität gewesen.
»Hallo, Yvonne«, sagte Walter. Es beruhigte Eliza, festzustellen, dass Walter sein Wissen über sie vor allem aus
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