Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
lachte. »Ja, und er schwört, sie würde wirklich so heißen. Klingt wie der Künstlername einer Stripperin.«
Eliza dachte an ihr Telefonat, die unangenehm raue Stimme. »Wie alt ist sie?«
»Das habe ich nicht gefragt, aber ich hatte den Eindruck, sie müsste über vierzig oder fünfzig sein. Sie hat als Lehrerin in Baltimore gearbeitet. Vor ein paar Jahren hat ein Schüler sie mit einem Messer angegriffen. Sie wurde ziemlich schwer verletzt und hat in einem Vergleich Geld bekommen, weil die Schule sich trotz mehrerer Warnungen geweigert hatte, den Jungen aus ihrem Unterricht zu nehmen. Man sollte meinen, dass sie nach einem solchen Vorfall für stärkere Opferrechte ist, aber stattdessen setzt sie sich für Häftlinge ein. Sie hat sich mit den Zuständen in Staatsgefängnissen und dann mit der Todesstrafe befasst. Und sich irgendwie mit Walter angefreundet.«
»Sie hat extra betont, sie wäre keine von diesen Frauen. Du weißt schon, Frauen, die sich in Häftlinge verlieben.«
»Nein, verliebt ist sie nicht. Aber wie besessen davon, dass seine Hinrichtung ausgesetzt wird. Noch mehr als Walter, sagt sein Anwalt. Er meint, sie würde vielleicht eigenmächtig handeln, ohne Walters Wissen.«
Eliza schüttelte den Kopf. Die Art des Briefes, der Tonfall – das war eindeutig Walter.
»Sie hätte mich auf einem Foto nicht erkannt. Und wie hätte sie meinen neuen Nachnamen sonst herausfinden sollen? Walter hat geschrieben, er hätte das Foto gesehen und mich erkannt.« Ich würde dich überall wiedererkennen. »Ist sie schwarz, diese Barbara LaFortuny?«
»Auf die Frage bin ich gar nicht gekommen. Warum?«
»Sie hat nicht so geklungen. Aber eine Lehrerin in Baltimore und …« Verlegen verstummte sie.
Peter drohte ihr grinsend mit erhobenem Zeigefinger. »Kommst du jetzt mit Vorurteilen, Eliza? Glaubst du, nur Schwarze haben ungewöhnliche Namen?«
»Nein, nein«, widersprach sie. »Nur, weil sie in der Stadt unterrichtet …«
Peter musste lachen.
»… in der Stadt unterrichtet und sich für Häftlinge einsetzt, obwohl sie selbst angegriffen wurde.« Aber jetzt musste sie auch lachen, ohne Angst, bloßgestellt zu werden. Sie wusste nicht genau, woher die Redensart stammte, sicher wie in Abrahams Schoß zu sein, aber genauso fühlte sie sich bei Peter. Sicher, beständig, ohne Vorbehalt geliebt. Erst als sie sechs Monate lang offiziell zusammen waren, hatte sie ihm von Walter erzählt. Begonnen hatte es mit einem Streit darüber, nachts bei offenem Fenster zu schlafen. Peters Anliegen war verständlich – der Frühling in Neuengland, der wie immer spät kam, hatte ihnen endlich den ersten perfekten Abend beschert, und sie wohnten in der zweiten Etage eines maroden Wohnhauses voller Studenten. Aber sie war seltsam stur geblieben, war wütend geworden und hatte geweint. Diese Hartnäckigkeit bei der sonst kompromissbereiten, gelassenen Eliza hatte Peter so verblüfft, dass er nachgegeben hatte. Am nächsten Morgen hatte sie sich bei Waffeln im O’Rourke’s entschuldigt. Sie hatte ihr Verhalten nicht weiter erklären wollen, aber sie konnte nicht an sich halten: Die Geschichte brach sich Bahn, als hätte Eliza sie noch nie erzählt. Und in gewisser Weise hatte sie das auch nicht. Sicher, sie hatte ausgesagt, sie war vereidigt und mehrfach von verschiedenen Seiten befragt worden. Sie hatte alles ihren Eltern erzählt, die sie außerdem zu einer einfühlsamen Therapeutin geschickt hatten.
Aber aus freien Stücken hatte Eliza die Geschichte noch nie preisgegeben, und sie sagte auch nicht das Wichtigste im »Leadsatz«, um einen Begriff aus Peters späterem Job zu benutzen: »Als ich fünfzehn war, wurde ich von einem Mann entführt«, begann sie. »Er hat gedacht, ich hätte ihn bei etwas gesehen und könnte ihn identifizieren. Eigentlich komisch, weil mit fünfzehn alle Erwachsenen für mich gleich aussahen, weißt du, was ich meine? Er ist mir nicht aufgefallen, ich hätte ihn auch nicht beschreiben können. Trotzdem hat er mich entführt.«
Peter bedrängte sie nicht mit Fragen. Das sollte später als Journalist sein Markenzeichen werden. Eliza hörte Peters Kollegen einmal sagen, er sei ein Meister der Pause, er könne Stille schaffen, die mit Vertraulichkeiten gefüllt werden wollte.
»Ich war fünf Wochen lang bei ihm. Genauer gesagt neununddreißig Tage. Fünf Wochen, vier Tage. Einen Tag weniger als die Flut in der Bibel. In der Sonntagsschule fand ich immer, vierzig Tage und vierzig Nächte wären
Weitere Kostenlose Bücher