Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
dass sie es war, die das Lagerhaus betreten hat.« Ihre Augen, wässrig-hell unter den getuschten Wimpern, zuckten nervös zwischen Kincaid und Maura hin und her.
»Sowohl Ihr Mann – Ihr Exmann, meine ich – als auch
Chloes Mitbewohnerin haben sie als die Frau identifiziert, die auf dem Überwachungsvideo beim Betreten des Lagerhauses zu sehen ist – das ist korrekt«, erwiderte Kincaid. »Aber mehr können wir im Augenblick noch nicht mit Sicherheit sagen. Es stehen noch Testergebnisse aus …«
Sie schüttelte den Kopf, noch ehe er ausgeredet hatte, als weigerte sie sich, die Möglichkeit überhaupt in Betracht zu ziehen. »Er verheimlicht mir irgendwas. Er steckt in Schwierigkeiten, und wenn er Chloe etwas angetan haben sollte …« Sie krampfte die Hände so fest zusammen, dass ihre Fingernägel sich in das weiche Leder der Handtasche gruben.
Kincaid zögerte, als wüsste er nicht recht, welchen Punkt er zuerst ansprechen sollte, doch bevor Maura sich einschalten konnte, sagte er: »Wieso glauben Sie, dass Ihr Exmann in Schwierigkeiten steckt, Mrs. Teasdale?«
»Er sagte mir, dass er das Haus verkaufen wollte. Er hätte einen Käufer dafür gefunden.«
Maura runzelte die Stirn: »Ich verstehe nicht ganz …«
»Es ist ein denkmalgeschütztes Gebäude. Gleich um die Ecke von der Tate Modern. Ich rede seit Jahren auf ihn ein, dass er es verkaufen soll, schon vor unserer Scheidung habe ich ihm das immer wieder gesagt, aber er wollte nie etwas davon wissen. O nein, meinte er, als Parlamentsabgeordneter für Southwark müsse er doch schließlich Respekt vor der alten Bausubstanz des Viertels beweisen.« Ein gehässiger Unterton hatte sich in ihre Stimme eingeschlichen. »Was spielte es da für eine Rolle, dass das Haus eigentlich für Pygmäen gebaut ist oder dass die Toilettenspülung nur funktioniert, wenn ihr gerade danach ist? Und was spielt es für eine Rolle, dass das Haus inzwischen ein Vermögen wert ist und dass Trev – das ist mein Mann, Trevor -, dass Trev und ich das Geld sehr gut für unser Geschäft brauchen könnten?« Sie beugte sich vor und tippte mit dem Fingernagel auf die Tischplatte – ein unangenehmes Geräusch, bei dem Maura die Zähne wehtaten. »Ich sage Ihnen«,
fuhr Michael Yarwoods Exfrau fort, »er ist da in irgendeine Sache verwickelt, und unsere Chloe hat er auch mit hineingezogen.«
War diese Frau denn mehr daran interessiert, über ihren Exmann herzuziehen, als daran, ihre Tochter zu finden? Hatte sie nicht begriffen, dass Chloe vielleicht tot war? Maura hatte gerade Luft geholt, um etwas zu sagen, als Kincaid Mrs. Teasdale verständnisvoll anlächelte und sagte: »Mrs. Teasdale, hatte Mr. Yarwood Ihres Wissens jemals Probleme mit Glücksspiel?«
Sie starrte ihn an, als sei er nicht ganz richtig im Kopf. »Michael und Glücksspiel? Er stammt aus einem streng protestantischen Elternhaus – er muss sich schon überwinden, wenn er mal ein Gläschen Wein trinken soll.«
»Und in welcher Art von Schwierigkeiten könnte er dann Ihrer Meinung nach stecken?«, fragte Maura, wobei sie Kincaids Ton zu imitieren suchte.
Shirley Teasdale schien auf ihrem Stuhl zusammenzusinken; ihre Entrüstung hatte sich offenbar schnell wieder gelegt. »Ich weiß es nicht. Er redet ja nicht mit mir, aber ich kenne ihn zu gut – ich weiß genau, dass er mit irgendwas hinterm Berg hält. Er hat mir nie verziehen, dass ich ihn wegen Trev verlassen habe, aber hier geht es doch um unsere Tochter. Er sagt nur immer wieder, dass sie bestimmt wohlauf ist, aber … dann hätte sie mich doch angerufen, oder?« Sie warf ihnen einen flehenden Blick zu. »Ich kann mir nicht vorstellen, wieso sie mich dann nicht angerufen hätte.«
»Chloe redet doch bestimmt über alles mit Ihnen – über ihr Leben, ihre Freunde und so weiter«, sagte Kincaid. »Wissen Sie irgendetwas über den Mann, mit dem sie auf dem Video zu sehen ist, Nigel Trevelyan?«
Shirley Teasdale zögerte, und Maura hatte den Eindruck, dass sogar ihr frisch gestärktes fliederfarbenes Kostüm ein wenig die Form verloren hatte. »Das müssen Sie verstehen. Chloe ärgert ihren Vater ganz gerne mit bestimmten Sachen. Ich
glaube … Ich glaube, es macht Ihr Spaß auszuprobieren, wie leicht sie ihn auf die Palme bringen kann. Das ist für ihn wie ein rotes Tuch. Sie sagte …« Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. »Sie sagte, wenn ihr Vater von Nigel erführe, würde er ihn umbringen. Aber Nigel ist doch gar nicht tot, oder?«
Während sie
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