Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
kleine Glas Cidre entgegen, das er für sie bestellt hatte. »Sie waren kurz zu Hause und sind mit den Hunden rausgegangen, und jetzt sind sie wieder bei Wesley und seinen Cousins und schlagen sich die Bäuche voll.«
»Das freut mich für Kit.« Kincaid wirkte erleichtert. »Er hat ja schon seit Tagen kaum was angerührt.«
»Ich muss bald nach Hause«, meinte Gemma, deren schlechtes Gewissen wegen ihrer ausgedehnten Abwesenheit sich nur unwesentlich beruhigt hatte, seit sie die Jungen in guten Händen wusste. »Ich will da sein, wenn sie zurückkommen.«
»Ich weiß. Aber ich werde noch eine Weile brauchen.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, wie es seine Gewohnheit war, wenn er erschöpft oder entnervt war, dann seufzte er und trank einen Schluck von seinem Bier. »Was für ein Tag. Ich habe Laura Novaks Haare sofort zu Konnie Mueller ins Labor schicken lassen. Er ist nicht gerade begeistert, das kann ich dir sagen, aber er hat mir versprochen, sich gleich an die Arbeit zu machen.« Er wandte den Blick vom Fluss und sah Gemma prüfend an. »Du bist dir ziemlich sicher, dass die Tote im Lagerhaus Laura Novak ist, nicht wahr?«
»Ja. Ich glaube nicht, dass sie Harriet zu sich genommen hat. Und wenn sie nicht bei ihrer Tochter ist, dann gäbe es nur eines, was sie daran hindern könnte, Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um sie zu finden. Aber wenn Laura Novak wirklich tot ist, wer hat sie getötet? Und warum?«
»Novak scheint mir der Hauptverdächtige zu sein«, erwiderte Kincaid. »Vielleicht ist er zu der Erkenntnis gekommen, dass er seine Exfrau nicht auf Dauer daran hindern könnte, Harriet zu sich zu nehmen, auch nicht, wenn er sie mit nach Tschechien nimmt, also verabredet er sich mit ihr für Donnerstagabend.
Er tötet sie und plant, am nächsten Tag mit Harriet das Land zu verlassen, ehe Laura Novaks Tod entdeckt wird. Und um die Identifizierung möglichst lange hinauszuzögern, entkleidet er sie und legt das Feuer.«
Gemma schüttelte bereits den Kopf, ehe er ausgeredet hatte. »Warum hätte Laura Novak mit Mrs. Bletchley ausmachen sollen, dass Harriet dort übernachtet, wenn sie sich nur zu einer Aussprache mit ihrem Ehemann treffen wollte? Warum hätte sie lügen und sagen sollen, sie müsse in dieser Nacht arbeiten? Warum hätte sie sich darauf einlassen sollen, sich mit ihm in einem leer stehenden Lagerhaus zu treffen? Das wäre doch absurd, selbst wenn ihr Verhältnis nicht so zerrüttet wäre. Und« – sie hob die Hand, damit er sie nicht unterbrach – »du hast Novaks Gesicht nicht gesehen, als du bei ihm geklingelt hast und er dachte, es sei seine Exfrau. Das war echte Panik.«
»Aber er hatte schließlich auch eine ausgedehnte Zechtour hinter sich und war kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Vielleicht hatte er ja Halluzinationen, hervorgerufen durch seine Schuldgefühle. Wie Lady Macbeth.«
»Jetzt gehst du aber ein bisschen zu weit.« Gemma rümpfte die Nase.
Kincaid grinste. »Zugegeben. Aber sag mir, ob du eine bessere Idee hast.« Gemma stützte die Ellbogen auf das Geländer und blickte wie zuvor Kincaid auf den Fluss hinaus. Ein Zug ratterte gerade über die Eisenbahnbrücke, aber auf dem Uferweg verloren sich nur einige wenige Spaziergänger. Das Wochenende war fast vorbei; die Zeit, die sie diesem Fall widmen konnte, war so gut wie erschöpft, und es schien, als hätten sie kaum Fortschritte gemacht. »Was hätte Laura Novak veranlassen können, Michael Yarwoods Lagerhaus aufzusuchen? Gibt es da irgendeine Verbindung zwischen den beiden, die wir übersehen haben?«
»Ich habe Doug sowohl auf Yarwood als auch auf dessen Tochter angesetzt. Yarwoods Exfrau sagt, sie habe ihn seit
heute Morgen nicht mehr zu Hause erreicht, und er versuche verzweifelt, Geld aufzutreiben; angeblich will er sogar sein Wohnhaus so schnell wie möglich verkaufen, obwohl er sich bisher immer strikt geweigert hat.«
Gemma runzelte die Stirn. »Das könnte dem Verdacht neue Nahrung geben, dass er das Lagerhaus abgefackelt hat, um die Versicherungssumme zu kassieren, wenn da nicht die Kleinigkeit mit der Leiche wäre …«
»Nicht, wenn er das Geld sofort brauchte. Versicherungen lassen sich immer reichlich Zeit mit dem Bezahlen.«
»Vergessen wir doch einmal für einen Moment das Feuer«, sagte Gemma gedehnt. »Was würdest du denken, wenn du auf der einen Seite ein vermisstes Kind hättest und auf der anderen einen Vater, der versucht, unauffällig eine große Summe Bargeld
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