Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
gewachsenen Mann mit schütterem Haar zu. »Ah, da ist ja Farrell.«
»Sind das Privatwohnungen?«, fragte Gemma, nachdem sie einander vorgestellt worden waren, und blickte zu dem Haus auf, vor dessen Eingang sie nun standen. Es war größer als das ausgebrannte Nachbargebäude, mit einer etwas kunstvoller ausgeführten Fassade, doch zeigte es deutliche Spuren von Vernachlässigung und Verfall. »Sie sagten doch, jemand aus diesem Haus hätte kurz nach Mitternacht die Feuerwehr gerufen.«
»Nein, keine Privatwohnungen«, antwortete Farrell. »Das ist ein Frauenhaus.« Er zeigte auf ein kleines Schild neben der Tür mit der Aufschrift Helping Hands . »Eine der Bewohnerinnen hat das Feuer gemeldet. Wir werden zuerst mit der Leiterin sprechen, bevor wir die junge Frau befragen. Ich habe den Zutrittscode von dem Constable, der die ursprüngliche Aussage aufgenommen hat.«
Durch die offene Haustür blickte man in einen kleinen Vorraum mit schmutzigem Kokos-Bodenbelag, doch als Gemma hinter den anderen eintrat, sah sie eine innere Tür, die mit einem neuen, teuren Sicherheitsschloss mit Tastatur versehen war. Farrell tippte den Code ein, worauf die Tür sich öffnete und ihnen den Weg in ein schäbiges Treppenhaus freigab. Der Brandermittlungsexperte wandte sich zu ihnen um und meinte: »Als Erstes müssen wir klären, ob ihnen nicht eine Bewohnerin abhanden gekommen ist, auf die die Beschreibung unseres Opfers passt.«
»Ich bezweifle ja, dass sie gleich mit einer ganzen Delegation gerechnet haben«, murmelte Maura Bell, als sie die Treppe hochgingen.
»Eine Delegation von Detectives? – Hört sich gut an«, scherzte Kincaid. »Oder spricht man in dem Fall eher von einer Bande?«
Gemma fasste seinen Arm. »Moment mal. Soll das heißen, dass euer Opfer weiblich ist? Als du mir von einem möglichen Mord erzählt hast, habe ich wie selbstverständlich angenommen, es handele sich um einen Mann – irgendjemand, der mit der Baustelle zu tun hatte.«
»Nein. Wir haben ein unbekanntes weibliches Opfer. Keine Papiere, bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Wieso?«
Gemmas Gedanken überschlugen sich. Sicherlich wäre es ein allzu unglaublicher Zufall – oder doch nicht? Der Ort des Brandes lag nur wenige Straßen von Fanny Lius Haus entfernt … Aber was hätte Elaine Holland mitten in der Nacht in einem leeren Lagerhaus verloren gehabt?
Es sei denn, sie wäre als Prostituierte einer kleinen Nebenbeschäftigung nachgegangen, was die versteckten Schuhe und die Reizwäsche erklären würde – und auch das Handy. Gemma erinnerte sich gehört zu haben, dass es in der Union Street nachts einen Straßenstrich gab – da hätte ein Hauseingang in der nahen Southwark Street sich als Unterschlupf angeboten; ein idealer Ort, um diskret und ungestört ins Geschäft zu kommen. Aber dann …
»Gemma?« Kincaids Stimme riss sie aus ihren Spekulationen. Sie hatten den oberen Treppenabsatz erreicht.
Sie schüttelte den Kopf. »Nichts. Nur eine verrückte Idee. Ich erzähl’s dir später.«
Im Flur nahm eine Frau sie in Empfang. »Hallo, ich bin Kath Warren, die Leiterin von Helping Hands. Sind Sie von der Polizei?« Sie streckte die Hand aus, ließ sie aber gleich wieder sinken, anscheinend entmutigt durch die schiere Anzahl ihrer Besucher. Gemma schätzte die Frau als gut erhaltene Mittvierzigerin ein; die strenge Nüchternheit und kompetente Sachlichkeit, die sie ausstrahlte, wurde durch die leichte
Stupsnase ein wenig abgemildert. Sie trug einen honigfarbenen Hosenanzug, der gut zu den blonden Strähnchen in ihren Haaren passte, und im Blick ihrer grünen Augen lag eine Spur Argwohn.
Farrell überspielte diesen Moment geschickt, indem er vortrat und sagte: »Ich bin Bill Farrell von der Feuerwehr.« Dann wandte er sich zu den anderen um, die sich wie Entenküken hinter ihm scharten, und stellte sie der Reihe nach vor. »Superintendent Kincaid von Scotland Yard. Sergeant Cullen. Inspector Bell. Und Inspector James«, fügte er hinzu, indem er sich mit einem fragenden Blick in ihre Richtung vergewisserte, dass er sich alles richtig gemerkt hatte.
Kath Warren sah sich in dem Korridor um, als ob ihr gerade klar geworden sei, wie ungeeignet er für eine Unterredung war. »Äh, vielleicht gehen wir besser in mein Büro. Es ist auch nicht viel größer, aber immerhin gibt es da ein paar Sitzgelegenheiten. – Unser Büro, sollte ich sagen«, fügte sie hinzu, als sie die Gruppe durch die erste Tür führte, die vom Flur abging. »Das
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