Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
ist Jason Nesbitt, der stellvertretende Leiter der Einrichtung.«
Der Raum enthielt zwei einfache Schreibtische, ein durchgesessenes Sofa, mehrere bunt zusammengestellte Holzstühle sowie Reihen von Aktenschränken aus Metall. An einem der Schreibtische saß ein junger Mann, in der einen Hand einen Telefonhörer, in der anderen einen braunen Umschlag. Als er sie eintreten sah, legte er den Hörer auf die Gabel und stand auf.
»Die Herrschaften sind von der Polizei, Jason«, sagte Kath Warren und lud die Besucher mit einer Handbewegung ein, sich auf die diversen Sitzmöbel zu verteilen, ehe sie selbst hinter dem anderen Schreibtisch Platz nahm.
»Hab ich mir schon gedacht. Wir müssen ja wirklich wichtig sein.« Sein Grinsen war spöttisch, aber dennoch irgendwie einnehmend. Er war groß und spindeldürr, hatte braunes Haar mit blonden Spitzen und einen breiten, ausdrucksvollen
Mund. Sein dunkles Hemd und seine Krawatte ließen auf eine gewisse Eitelkeit schließen, und bei näherem Hinsehen korrigierte Gemma ihre Schätzung seines Alters auf eher Ende als Anfang zwanzig.
»Bitte, nehmen Sie Platz. Sie müssen unsere bescheidenen Räumlichkeiten entschuldigen«, sagte Kath Warren und blickte sich achselzuckend in dem Büro um. »Es ist alles ziemlich heruntergekommen hier, aber wir finanzieren uns hauptsächlich aus öffentlichen Zuwendungen, und da bleibt kein Spielraum für irgendwelchen Komfort.«
Cullen und Bell ließen sich ein wenig zögerlich nebeneinander auf dem Sofa nieder, während Farrell und Gemma sich zwei der harten Holzstühle griffen. Kincaid blieb stehen und lehnte sich lässig mit der Hüfte an einen Aktenschrank.
»Sie nehmen Frauen auf, die von ihren Männern misshandelt wurden?«, begann Gemma, die für einen Moment vergessen zu haben schien, dass es nicht an ihr war, die Fragen zu stellen. Bell warf ihr einen bösen Blick zu.
»Meistens Frauen zusammen mit ihren Kindern.« Kath Warren schien sich gleich viel sicherer zu fühlen, als sie nun hinter ihrem Schreibtisch saß. »Gewiss werden auch Männer manchmal Opfer von Misshandlungen durch ihre Partner, aber in solchen Fällen ergreift die Stadt andere Maßnahmen. Wir gewähren Frauen Asyl, geben ihnen eine Chance, ihre Beziehungsprobleme zu lösen, und wenn das nicht möglich ist, helfen wir ihnen, ein neues Leben zu beginnen.«
»Wie viele Zimmer haben Sie?«, fragte Kincaid. »Zehn, und im Moment sind sie alle belegt. Nicht gerade Luxusunterkünfte, aber das Problem wird sich vielleicht bald von selbst lösen. Es sieht so aus, als wären unsere Tage hier gezählt. Das Gebäude ist reif für eine grundlegende Sanierung, genau wie das nebenan. Der vordere Teil steht jetzt schon leer, und der Kaufpreis wird weit über dem liegen, was die Stadt sich leisten kann.«
Gemma hatte den Eindruck, dass aus dem, was wie eine eingeübte Rede begonnen hatte, plötzlich etwas Persönliches geworden war; dass der bevorstehende Verlust der Räumlichkeiten ihrer Einrichtung Kath Warren auf irgendeine Weise ganz unmittelbar betraf. »Was wird dann passieren?«, fragte sie.
»Ach, sie werden schon irgendwann etwas Neues für uns finden, aber es wird vielleicht bedeuten, dass wir unser Büro vorübergehend schließen müssen. Die Stadt wird natürlich ihr Bestes tun, um unsere Bewohnerinnen in anderen Einrichtungen unterzubringen.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Aber ich rede hier von Sachen, die Sie gar nicht interessieren, und Sie haben doch bestimmt Fragen an uns.«
Jason Nesbitt hatte die ganze Zeit zugehört, sein Blick war dann und wann von Kath zu den anderen abgeschweift, doch seine lebhafte Mimik ließ keinen Schluss auf das zu, was in ihm vorging. Gemma kam der Gedanke, dass die drohende Schließung der Einrichtung vielleicht bedeutete, dass sowohl Nesbitt als auch Kath Warren arbeitslos würden.
»Was Ihre Bewohnerinnen betrifft, Miss Warren«, warf DI Bell ein, die es vor Ungeduld fast nicht mehr auf ihrem Platz hielt, »sind Sie sicher, dass keine von ihnen vermisst wird?«
»Ja, selbstverständlich. Die Bewohnerinnen müssen sich in eine Liste eintragen, wenn sie das Gebäude verlassen oder betreten, und um zweiundzwanzig Uhr ist bei uns Sperrstunde. Es kommt manchmal vor, dass die Frauen nachts ihre Männer vermissen, und die Sperrstunde hilft, Rückf älle zu vermeiden. Im Übrigen ist es Mrs. Warren«, fügte sie hinzu, wobei sie ihre Hände betrachtete und mit ihrem Ehering spielte, anstatt DI Bell anzuschauen. »Wir haben ja
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