Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
Gespräch beendete, sahen die beiden Jungen sie gespannt an.
»Du musst weg, oder?«, fragte Kit mit tonloser Stimme.
»Ja«, antwortete sie bedauernd. »Aber vielleicht können wir vorher noch rasch was essen.«
»Und der Schrank?«
»Wie wär’s mit nächsten Samstag?«
»Nächsten Samstag? Aber …« Kit zuckte mit den Achseln und wandte sich ab, um mit großer Konzentration die Auslagen an einem Stand mit altem Schmuck zu betrachten. Doch das Aufblitzen der Panik in seinen Augen war Gemma nicht entgangen. War er so besorgt wegen der Anhörung beim Familiengericht am kommenden Montag, dass er schon fürchtete, es würde keinen nächsten Samstag mehr geben?
»Kit«, sagte sie mit sanfter Stimme, »es gibt keinen Grund, weshalb wir das nächsten Samstag nicht nachholen können. Vielleicht kann Duncan …«
»Gemma …« Kit zeigte auf die Schmuckauslagen.
»… dann ja mitkommen. Du weißt, er wollte …«
»Gemma, schau doch mal!«
»Was denn? Den Schmuck? Aber wieso denn?« Sie runzelte die Stirn, folgte aber dennoch seinem Blick – und dann sah sie, was er gesehen hatte.
Der verglaste Schaukasten lag mit der Rückseite nach unten auf dem Tisch, den er fast ganz bedeckte. Und die gesamte Fläche innerhalb des großen, aber nicht besonders tiefen Rahmens war in Dutzende kleiner, quadratischer Fächer aufgeteilt. So, wie der Kasten im Moment lag, bildeten die Fächer Vertiefungen, von denen jede eine kleine Schmuckauslage beherbergte, aber hochkant gestellt würde ein perfekter Präparateschrank daraus werden.
Ihr Wortwechsel hatte den Händler auf sie aufmerksam gemacht. Gemma kniff Kit warnend in die Schulter und fragte so beiläufig, wie sie nur konnte: »Ist der Kasten auch zu verkaufen?«
Der Mann zündete sich eine Zigarette an und musterte sie
mit zusammengekniffenen Augen. »Tja, kommt ganz drauf an, Ma’am. Ich müsste mir was anderes suchen, wo ich meine Ware reintun kann. Was wäre er Ihnen denn wert?«
Die drei Detectives und Bill Farrell saßen dicht gedrängt vor dem Fernsehbildschirm in dem kleinen Raum, den man ihnen auf dem Revier in der Borough High Street vorübergehend zur Verfügung gestellt hatte. Nachdem Maura Bell den Anruf erhalten hatte, waren sie gleich aufgebrochen und hatten Kate Ling die Autopsie ohne sie zu Ende führen lassen. Ling hatte ihnen versprochen, ihnen sofort Bescheid zu sagen, falls sie noch etwas Bedeutendes finden sollte, ansonsten würde sie ihnen den Bericht zukommen lassen, sobald die Laborergebnisse vorlägen. Was Kincaid betraf, so war er nicht gerade unglücklich darüber gewesen, ihr nicht länger beim Sägen und Schneiden zuschauen zu müssen.
Die Kassette mit den Aufnahmen der Überwachungskamera steckte schon im Rekorder, und auch bei gedrückter Pausetaste wirkte das Schwarzweißbild auf dem Fernseher verschwommen und blass. Kincaid verfluchte insgeheim den Sparkurs im Sicherheitsbereich, der dazu führte, dass Videobänder immer und immer wieder benutzt wurden, bis sie praktisch unbrauchbar waren.
»Diese Aufnahmen wurden vom Gebäude gegenüber aus gemacht, ein paar Meter vom Vordereingang des Lagerhauses nach Osten versetzt«, erklärte die Polizistin, die ihnen das Video vorführte. »Wir können von Glück sagen, dass wir überhaupt eine private Überwachungskamera gefunden haben, die mehr als nur den Eingangsbereich des eigenen Gebäudes erfasst, aber es handelt sich hier um ein Kreditauskunftsbüro, und die sind oft ein bisschen paranoid, wenn es um die äußere Sicherheit geht. Leider ist der Bildausschnitt nicht allzu berauschend, wie Sie sehen.«
Kincaid brauchte einen Moment, um das, was er vor sich
sah, mit seiner Erinnerung an den Eingang des Lagerhauses in Übereinstimmung zu bringen. Dann erkannte er, dass der Radius der Kamera am westlichen Rand der Tür des Lagerhauses endete. Das bedeutete, dass sie nicht nur kein Bild von der Seitentür hatten, sondern auch die Straße, an der sie lag, nicht einsehen konnten.
»Eine Ansicht des Seiteneingangs haben Sie nicht zufällig auftreiben können?«, fragte er.
»Nein, tut mir Leid.« Die Polizistin, eine junge Frau asiatischer Herkunft, schien ihren Misserfolg persönlich zu nehmen. »Auf der Seite ist nur das Frauenhaus, und dort hieß es, man habe zwar daran gedacht, eine Überwachungskamera installieren zu lassen, das Budget habe es aber nicht hergegeben.« Sie griff nach der Fernbedienung und fuhr ein wenig energischer fort: »Jetzt kommen wir zum kritischen Zeitpunkt,
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