Denn vergeben wird dir nie
der Besetzungsliste
neben ihrem Namen unterschreiben.«
Sie hielt mir das Heft vor die Augen und zeigte auf eine
Stelle. Mit herausforderndem Schwung hatte Rob
Westerfield neben seinem Namen mit »Jim Wilding«
unterschrieben.
Ich starrte lange darauf. »Ich brauche eine Kopie
davon«, sagte ich. »Und passen Sie bitte gut auf das
Original auf. Es wäre mir am liebsten, Sie würden es in
einen Safe schließen.«
Zwanzig Minuten später saß ich in meinem Wagen und
verglich die Unterschrift auf der Planskizze mit derjenigen
in dem Programmheft.
Ich bin kein Experte für Handschriften, aber Duktus und
Gestalt des Namenszugs »Jim« schienen mir in beiden
Dokumenten identisch zu sein.
Ich trat die lange Rückfahrt nach Oldham an, innerlich
jubelnd über die Aussicht, demnächst beide nebeneinander
im Internet abbilden zu können.
Mrs. Dorothy Westerfield würde gezwungen sein, der
Wahrheit ins Auge zu blicken. Ihr Enkel hatte ihre
Ermordung geplant.
Ich muss zugeben, ich genoss die angenehme Aussicht,
dass ich in absehbarer Zeit einige wohltätige Einrich
tungen, Krankenhäuser, Bibliotheken und Universitäten
sehr, sehr glücklich machen würde.
39
GEWÖHNLICH LIEGT MEIN HANDY immer auf dem
Kissen neben mir. Am Dienstagmorgen wurde ich von
seinem Klingeln geweckt. Während ich ein schläfriges
»Hallo« von mir gab, schaute ich auf meine Armbanduhr
und stellte erschrocken fest, dass es schon neun Uhr war.
»Wohl gestern Nacht zu lange gefeiert?«
Es war Pete.
»Mal sehen«, sagte ich. »Ich bin von Maine nach
Massachusetts gefahren und dann quer durch den ganzen
Staat New York. Es war die aufregendste Nacht meines
Lebens.«
»Vielleicht sind Sie zu müde, um nach Manhattan zu
kommen.«
»Vielleicht versuchen Sie gerade, sich aus einer
Einladung nach Manhattan herauszureden«, unterstellte
ich. Ich war jetzt wach und beinahe enttäuscht und
verärgert.
»Ich wollte gerade vorschlagen, dass ich nach Oldham
fahre, Sie abhole und wir uns dann ein Lokal zum
Abendessen suchen.«
»Das ist etwas anderes«, sagte ich fröhlich. »Mir fällt da
ein tolles Lokal ein, das nur eine Viertelstunde vom
Gasthaus entfernt ist.«
»Jetzt arbeitet Ihr Kopf wieder richtig. Sagen Sie mir,
wie ich zu Ihnen komme.«
Ich beschrieb den Weg, was seine Anerkennung
hervorrief. »Ellie, Sie sind eine der wenigen Frauen, die
ich kenne, die imstande ist, eine brauchbare Wegbe
schreibung zu liefern. Hab ich Ihnen das beigebracht? Sie
brauchen nicht zu antworten. Ich werde so um sieben Uhr
da sein.«
Klick.
Ich rief den Zimmerservice an, duschte, wusch meine
Haare und rief bei einem in der Nähe gelegenen
Maniküresalon an, um einen Termin für den Nachmittag
zu bekommen. Ich hatte mir bei meinem Sturz auf dem
Parkplatz mehrere Fingernägel abgebrochen und wollte sie
wieder in Ordnung bringen lassen.
Ich nahm mir sogar die Zeit, meine beschränkte
Kleiderauswahl in Augenschein zu nehmen und mich für
den braunen Hosenanzug mit dem mit Webpelz besetzten
Kragen und Manschetten zu entscheiden. Der Anzug war
ein spontaner Kauf beim Schlussverkauf im letzten Jahr
gewesen, immer noch teuer, obwohl er um die Hälfte
herabgesetzt war. Außerdem hatte ich ihn noch nicht
getragen.
Der Abend mit Pete schien mir die richtige Gelegenheit
für die Premiere zu sein.
Es war ein tröstlicher Gedanke, sich auf etwas am Ende
des Tages freuen zu können. Ich ahnte, dass es mir nicht
leicht fallen würde, den Nachmittag damit zu verbringen,
Alfies Bericht über den Einbruch aufzuschreiben und die
Planskizze mit Rob Westerfields Verwendung des Namens
Jim an der Schule in Verbindung zu bringen.
Nicht leicht, weil ich immer noch unter dem Eindruck
der unerträglichen Gewissheit stand, dass Andrea Rob
Westerfield nicht kennen gelernt hätte, wenn er wegen
dieses Verbrechens verurteilt worden wäre.
Er hätte im Gefängnis gesessen. Sie wäre erwachsen
geworden und aufs College gegangen und hätte, wie Joan,
wahrscheinlich geheiratet und Kinder bekommen. Mutter
und Daddy würden immer noch in diesem schönen
Farmhaus wohnen. Daddy würde es mittlerweile auch ins
Herz geschlossen und eingesehen haben, was für eine
großartige Idee es gewesen war, es zu kaufen.
Ich wäre in einem glücklichen Heim aufgewachsen und
auf das College gegangen. Dass ich damals Journalistik als
Studium wählte, hatte nichts mit Andreas Tod zu tun,
daher würde ich wahrscheinlich in einem ähnlichen Job
arbeiten. Es war der
Weitere Kostenlose Bücher