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Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Freunden zum Kino und
Abendessen verabredet und werde nicht vor zehn Uhr
zurück sein.«
Nach allem, was passiert war, war mir nicht wohl bei
dem Gedanken, Original und Kopien an demselben Ort
verwahrt zu wissen.
»Ich werde gleich rüberkommen«, sagte ich.
»Nein, ich rufe Sie an, wenn ich aufbreche. Dann fahre
ich bei der Wohnung vorbei, und Sie können kurz
runterkommen und die Reisetasche holen.«
Ein paar Minuten später fuhr ihr Auto vor. Es war erst
halb fünf, aber draußen war es schon fast dunkel. Dennoch
konnte ich die Anspannung in ihrem Gesicht erkennen, als
sie das Fenster herunterließ, um mit mir zu sprechen.
»Ist irgendetwas passiert?«, fragte ich.
»Vor einer Minute habe ich einen Anruf bekommen. Ich
weiß nicht, wer dran war, die Anruferkennung war
blockiert.«
»Was hat er gesagt?«
»Ich weiß, es klingt verrückt, aber jemand sagte, ich
solle mich davor hüten, eine psychisch Gestörte in meiner
Nähe zu haben. Er behauptete, Sie seien in einer Anstalt
gewesen, weil Sie ein Klassenzimmer in Brand gesteckt
hätten.«
»Das ist von vorne bis hinten erlogen. Mein Gott, ich
habe seit meiner Geburt nicht einen Tag in einem Kran
kenhaus verbracht, geschweige denn in einer Anstalt.«
Offenbar glaubte mir Mrs. Hilmer, denn ihre Züge
glätteten sich erleichtert. Aber das hieß zugleich, dass sie
die Behauptung des Anrufers nicht von vornherein in
Zweifel gezogen hatte. Schließlich hatte sie bei meinem
ersten Besuch auch angedeutet, dass Rob Westerfield
unschuldig sein könne und Andreas Tod für mich zu einer
Obsession geworden sei.
»Aber, Ellie, warum sollte jemand so etwas Schreck
liches über Sie behaupten?«, entrüstete sie sich. »Und wie
können Sie verhindern, dass er es anderen Leuten
erzählt?«
»Jemand versucht, mich in Misskredit zu bringen, und
ich fürchte, dagegen kann ich nichts tun.« Ich öffnete die
Heckklappe des Wagens und nahm meine Reisetasche
heraus. Ich versuchte, meine Worte vorsichtig zu wählen.
»Mrs. Hilmer, ich glaube, es wird besser sein, wenn ich
morgen früh wieder in das Gasthaus ziehe. Officer White
glaubt, dass ich ziemlich schräge Leute anziehen könnte,
nachdem ich mich mit einem Schild vor Sing-Sing
aufgestellt habe, und ich kann nicht zulassen, dass diese
Typen mich bis hierher verfolgen. Im Gasthaus werde ich
sicherer sein, und auf jeden Fall werden Sie wieder Ihre
Ruhe haben.«
Sie war aufrichtig genug, um mir nicht zu wider
sprechen. Man konnte die Erleichterung heraushören, als
sie antwortete: »Ich denke, es ist tatsächlich sicherer für
Sie, Ellie.« Sie machte eine Pause, dann fügte sie in aller
Offenheit hinzu: »Ich glaube, ich würde mich auch
sicherer fühlen.« Danach fuhr sie ab.
Als ich mit der Reisetasche in der Hand zur Wohnung
zurückging, fühlte ich mich wie von allen verlassen. In
alten Zeiten wurden Aussätzige gezwungen, Glöckchen
um den Hals zu tragen und »unrein, unrein« zu rufen,
wenn jemand in ihre Nähe geriet. Und wahrlich, in diesem
Moment fühlte ich mich wie eine Aussätzige.
Ich ließ die Tasche fallen und ging ins Schlafzimmer,
um mich umzuziehen. Ich vertauschte meine Jacke mit
einem weiten Pullover, stieß meine Schuhe von den Füßen
und schlüpfte in meine alten gefütterten Hausschuhe.
Dann ging ich zurück ins Wohnzimmer, goss mir ein Glas
Wein ein, machte es mir in dem breiten Clubsessel
bequem und legte die Füße hoch.
Der Pulli und die Hausschuhe spendeten mir Trost. Für
einen flüchtigen Augenblick dachte ich an mein altes
Schmusetier Bones, mit dem ich als Kind das Kopfkissen
geteilt hatte. Es befand sich in einem Karton im obersten
Fach eines Wandschranks in meiner Wohnung in Atlanta.
In dem Karton waren noch andere Erinnerungsstücke, die
meine Mutter aufgehoben hatte, darunter ihr Hochzeits
album, Fotos von unserer Familie, Babykleidung und, was
uns immer am meisten berührte, die Orchesteruniform von
Andrea. Einen Moment lang spürte ich ein kindliches
Verlassensein, weil mein alter Bones nicht bei mir war.
Dann, als ich an dem Wein nippte, musste ich daran
denken, wie oft ich nach der Arbeit mit Pete bei einem
Glas Wein zusammengesessen hatten, bevor wir unser
Essen bestellten.
Zwei Erinnerungen: meine Mutter, wie sie trinkt, um
ihre Ruhe zu finden, und Pete und ich, wie wir uns
entspannen und unsere Scherze machen über die
manchmal nervtötenden und frustrierenden Dinge, die uns
im Laufe eines harten Arbeitstags beschäftigt

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