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Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Selbstsicherheit, die das Kennzeichen vieler mächti
ger Männer ist, die ich interviewt habe.
Seine Augen waren von einem überraschend intensiven
Kobaltblau, das dunkle Haar war an den Schläfen von
einem leichten Silberschimmer durchschossen, und seine
Haut war erstaunlich tief gebräunt. Ich war auf die blasse
Hautfarbe gefasst, die ich bei anderen entlassenen
Strafgefangenen gesehen hatte, und kurz ging mir der
Gedanke durch den Kopf, dass er seit seiner Entlassung
mehrere Stunden unter der Höhensonne verbracht haben
musste.
»Die Wirtin hat uns auf Sie aufmerksam gemacht,
Ellie«, sagte er mit herzlicher Stimme, als ob wir alte
Bekannte seien, die sich alle Nase lang träfen.
»Ach, tatsächlich?«
»Ihr war klar, wer Sie sind, und daher war sie etwas in
Aufregung. Sie hatte keinen anderen Tisch für sechs
Personen frei und dachte, ich hätte möglicherweise etwas
dagegen, in Ihrer Nähe zu sitzen.«
Aus den Augenwinkeln sah ich den Rest der Gesell
schaft ihre Plätze einnehmen. Zwei von ihnen erkannte ich
vom Fernsehinterview her: seinen Vater, Vincent Wester
field, und seinen Anwalt, William Hamilton. Sie starrten
mich feindselig an.
»Hat sie vielleicht auch daran gedacht, ich könnte etwas
dagegen haben, in Ihrer Nähe zu sitzen?«, fragte ich ruhig.
»Ellie, Sie irren sich vollkommen, was mich betrifft. Ich
will genau wie Sie, dass der Mörder Ihrer Schwester
gefunden und bestraft wird. Können wir uns nicht treffen
und in Ruhe miteinander reden?« Er zögerte und fügte
dann mit einem Lächeln hinzu: »Bitte, Ellie.«
Im Speisesaal war es vollständig still geworden. Da
offenbar alle Anwesenden unsere Auseinandersetzung
mitbekommen wollten, erhob ich absichtlich meine
Stimme, damit wenigstens ein Teil der Gäste meine Worte
verstehen würde. »Aber mit Vergnügen, Rob«, sagte ich.
»Wo sollen wir uns treffen? Im Garagenversteck
vielleicht? Das war doch einer Ihrer Lieblingsorte, nicht
wahr? Aber vielleicht ist die Tatsache, dass Sie dort einem
fünfzehnjährigen Mädchen den Kopf eingeschlagen haben,
doch etwas zu viel für Ihre Nerven, selbst für einen
vollendeten Lügner wie Sie.«
Ich knallte einen Zwanzig-Dollar-Schein auf den Tisch
und erhob mich von meinem Stuhl.
Als ob meine Worte ihn nicht im Geringsten berührt
hätten, nahm Rob den Schein und steckte ihn in die
Tasche meiner Jacke. »Wir haben hier ein Hauskonto,
Ellie. Wann immer Sie kommen wollen, Sie sind unser
Gast. Bringen Sie ruhig Ihre Freunde mit.« Wieder machte
er eine Pause, aber diesmal verengten sich seine Augen.
»Falls Sie welche haben«, setzte er leise hinzu.
Ich nahm den Zwanzig-Dollar-Schein aus der Tasche,
erblickte die Bedienung, überreichte ihn ihr und verließ
den Saal.
    Eine halbe Stunde später war ich zurück in der Wohnung.
Der Teekessel summte, und ich war damit beschäftigt, das
von mir zunächst abgelehnte Käse-Sandwich mit Salat und
Tomate zuzubereiten. Mittlerweile war das große Zittern,
das mich im Auto überfallen hatte, vorüber, nur meine
kalten, klammen Hände erinnerten noch an den Schock,
den mir die persönliche Begegnung mit Rob Westerfield
versetzt hatte.
    Immer wieder hatte sich in der letzten halben Stunde
dieselbe Szene vor meinem inneren Auge wiederholt. Ich
stehe im Zeugenstand. Flankiert von seinen Anwälten, sitzt
Rob Westerfield an dem für die Anklage vorgesehenen
Tisch. Er starrt mich an, mit einem bösen und höhnischen
Blick. Ich bin sicher, dass er im nächsten Moment
aufspringen und sich auf mich stürzen wird.
    Als er im Restaurant in nächster Nähe neben mir stand,
war die Intensität seiner Konzentration genauso groß
gewesen wie damals beim Prozess, und hinter den
kobaltblauen Augen und dem höflichen Ton hatte ich
denselben unstillbaren Hass gespürt und gesehen.
    Aber es gibt einen Unterschied, hatte ich mir unablässig
in Erinnerung gerufen, bis ich mich allmählich beruhigte.
Ich bin neunundzwanzig, nicht sieben. Und auf die eine
oder andere Art werde ich heute mehr gegen ihn
ausrichten können als damals. Nach dem Prozess hatte
einer der Journalisten geschrieben: »Das traurige, ernste
Mädchen, das vor Gericht ausgesagt hat, seine Schwester
habe große Angst vor Rob Westerfield gehabt, machte
einen tiefen Eindruck auf die Geschworenen.«
    Ich trug Sandwich und Tee zum Tisch, holte das
Telefonbuch aus dem Schränkchen und klappte mein
Handy auf. Beim Essen wollte ich die Gelben Seiten
durchgehen und die

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