Denn vergeben wird dir nie
Mai, bevor Andrea starb.«
»Im Mai, bevor Andrea starb!« Ich war schockiert. Dann
hatte er den Anhänger gar nicht für sie gekauft, dachte ich.
Irgendein Mädchen hatte ihn im Auto verloren, und er hat
die Initialen eingravieren lassen und ihn dann Andrea
geschenkt.
»Paulie, weißt du noch, wie der Anhänger aussah?«,
fragte ich.
»Ja. Er war schön. Er hatte die Form eines Herzens, er
war golden, und darauf waren kleine blaue Edelsteine.«
Das entsprach genau der Beschreibung, die ich vor
Gericht abgegeben hatte.
»Paulie, hast du den Anhänger irgendwann
wiedergesehen?«, fragte ich.
»Ja. Andrea war so lieb zu mir. Sie ist zu mir gekommen
und hat mir gesagt, wie gut ich im Football sei und dass
die Mannschaft meinetwegen gewonnen hätte. Und
danach habe ich mir überlegt, sie zu fragen, ob sie mit mir
zu der Fete gehen wolle.
Ich bin zu eurem Haus gegangen und hab gesehen, wie
sie durch den Wald lief. Vor dem Haus von
Mrs. Westerfield hab ich sie eingeholt. Sie trug den
Anhänger, und in dem Moment wusste ich, dass sie ihn
von Rob geschenkt bekommen hatte. Er ist ein böser
Mensch. Er hat mir dieses Riesentrinkgeld gegeben, aber
er ist trotzdem böse. Sein Wagen hatte ständig Beulen,
weil er so schnell fuhr.«
»Hast du ihn an dem Tag gesehen?«
»Ich hab Andrea gefragt, ob ich mit ihr sprechen könne,
aber sie hat gesagt, nicht jetzt, weil sie in Eile sei. Ich bin
zurück in den Wald gegangen und hab gesehen, wie sie in
die Garage gegangen ist. Ein paar Minuten später ist Rob
gekommen und hineingegangen.«
»Sag Ellie, wann das war, Paulie.«
»Das war eine Woche, bevor Andrea in der Garage
ermordet wurde.«
Eine Woche vorher.
»Dann hab ich noch mal mit ihr gesprochen, ein paar
Tage, bevor sie starb. Ich hab ihr gesagt, Rob sei ein
schlechter Mensch und sie solle sich nicht mit ihm in der
Garage treffen und ich wusste genau, dass ihr Vater sehr
böse werden würde, wenn er erfahren würde, dass sie mit
ihm dorthin gegangen sei.«
Paulie sah mir gerade in die Augen. »Dein Vater ist
immer so nett zu mir gewesen, Ellie. Er hat mir immer
Trinkgeld gegeben, wenn ich den Tank voll gemacht habe,
und er hat sich immer mit mir über Football unterhalten.
Er war sehr nett.«
»Als du Andrea vor Rob gewarnt hast, war das, als du
sie gefragt hast, ob sie mit dir zur Fete geht?«
»Ja, und sie hat gesagt, sie würde mit mir gehen, und ich
musste ihr versprechen, deinem Vater nichts über Rob zu
erzählen.«
»Und du hast den Anhänger nie wieder gesehen?«
» Nein, Ellie.«
»Und du bist nie wieder zur Garage gegangen?«
»Nein, Ellie.«
Paulie schloss die Augen. Ich merkte, dass er sehr
erschöpft war. Ich legte meine Hand auf die seine.
»Paulie, ich möchte, dass du dir keine Sorgen mehr
machst. Alles wird gut werden, das verspreche ich dir, und
ich werde dafür sorgen, dass jeder erfährt, wie nett und
freundlich und gut du bist. Und klug bist du auch. Schon
als Kind hast du gewusst, wie verdorben und schlecht Rob
Westerfield war. Viele Leute in der Stadt können ihn nicht
einmal heute durchschauen.«
»Paulie denkt mit seinem Herzen«, sagte Mrs. Stroebel
sanft.
Paulie öffnete die Augen. »Ich bin so müde. Hab ich dir
alles über den Anhänger erzählt?«
»Ja, Paulie.«
Mrs. Stroebel begleitete mich zum Aufzug. »Ellie, sogar
beim Prozess haben sie noch alles versucht, um Paulie den
Mord an Andrea in die Schuhe zu schieben. Ich hatte
solche Angst. Deshalb habe ich ihm eingeschärft, er dürfe
nie etwas über den Anhänger sagen.«
»Ich verstehe.«
»Ich hoffe, dass Sie mich verstehen. Ein besonderes
Kind wie Paulie muss sein Leben lang beschützt werden,
auch als Erwachsener. Sie haben den Anwalt von
Westerfield im Fernsehen erlebt, als er allen Leuten
angekündigt hat, er werde in einem neuen Prozess
beweisen, dass Paulie Andrea ermordet hat. Können Sie
sich vorstellen, dass Paulie vor Gericht steht, und dieser
Mann bombardiert ihn mit Fragen?«
Dieser Mann. William Hamilton, Esquire.
»Nein, das will ich mir lieber nicht vorstellen.«
Ich küsste sie auf die Wange. »Paulie kann von Glück
reden, dass er Sie hat, Mrs. Stroebel.«
Sie blickte mir in die Augen. »Er kann von Glück reden,
dass er Sie hat, Ellie.«
37
UM SIEBEN UHR war ich auf dem Weg zum
Abendessen bei Mrs. Hilmer. Das bedeutete, dass ich an
unserem alten Haus vorbeifahren musste. Heute Abend
war es hell erleuchtet, und mit dem Mond, der über den
dahinter liegenden Wäldern
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