Department 19 - Die Wiederkehr: Thriller (German Edition)
Abendkleidung hinter einem Stehpult hervor und trat mit ehrerbietigem Lächeln auf die beiden Neuankömmlinge zu.
»Die Fraternité de la Nuit heißt Sie wieder willkommen, Gentlemen«, sagte er in perfektem Englisch. »Darf ich Ihnen die Mäntel abnehmen?«
Sie standen auf dem Parkettboden des kleinen Foyers, dessen Wände und Decken mit dickem roten Samt ausgeschlagen waren. In die Rückwand war eine zweite Tür eingelassen, durch die von einem Klavier gespielte wilde Cancanklänge drangen. Dann war ein weiterer Laut zu hören, der die Musik übertönte: ein schriller Schrei, so voller Entsetzen und Verzweiflung, dass Frankenstein das Gesicht verzog, als er dem Maître d’hôtel seinen Mantel überließ. Latour, der seinen schon ausgezogen hatte, grinste über diesen Schrei, während seine Reißzähne sichtbar wurden und seine Augen sich unnatürlich rot verfärbten. Er schlug Frankenstein auf die Schulter.
»Das wird eine gute Nacht, glaub ich«, sagte er und ging auf die zweite Tür zu.
Die innere Tür schloss sich lautlos hinter den beiden Männern. Frankenstein holte wie gewöhnlich tief Luft und ließ seinem Magen Zeit, sich zu beruhigen.
Blutgeruch, dick und metallisch, hing in dem weiten Rund des Theaters. Er stieg wie eine Wolke aus den roten Lachen auf, die sich auf der niedrigen Bühne gebildet hatten, auf der jeden Abend unter dem johlenden Beifall des aus Vampiren bestehenden Publikums groteske Handlungen vorgenommen wurden. Er hing in der Luft von den Blutfontänen, die aus zerrissenen Adern und zerfetzten Arterien in großen Bogen an die einst weißen Wände des Theaters gespritzt waren. Blut bedeckte jeden Quadratzentimeter des Theaters: uralt oder frisch vergossen, braun angetrocknet oder glänzend scharlachrot.
Ein Diener begrüßte Frankenstein und Latour, sobald sie eintraten, und teilte ihnen mit, sie seien wie immer in Lord Dantes Privatgemächern willkommen. Latour dankte dem Vampir geistesabwesend; er sah sich im Theater um, horchte auf die Schreie und beobachtete mit rot glühenden Augen die Schreckensszenen, die sich um ihn herum abspielten. Auf seinem Gesicht stand die nackte Lust, und Frankenstein wandte sich ab, obwohl er so gegen seinen Willen Augenzeuge der Ereignisse um ihn herum wurde.
Das Theater war klein, hatte nicht mehr als sechzig Sitze, die einen weiten Halbkreis vor der Bühne bildeten. Etwa zwei Drittel davon waren von Vampiren aller Rassen, Altersstufen und Nationalitäten besetzt. Von ihnen ging aus gutem Grund eine schreckliche Jovialität aus: die Fraternité war ein sicherer Ort, an dem sie ihre finstersten Begierden ohne Furcht vor Entdeckung ausleben konnten. Zwischen den Sitzen herrschte lebhaftes Treiben, als die Vampire, die dort Platz genommen hatten, die verlorenen Unschuldigen von Paris folterten, misshandelten, bluten ließen und ermordeten.
Jeden Abend wurde den Vampiren eine neue Charge menschlicher Opfer – von woher, wollte Frankenstein sich lieber nicht überlegen – zur Verfügung gestellt. Die meisten waren jung, obwohl je nach Geschmack irgendeines Mitglieds der Fraternité alle Altersstufen anzutreffen waren; Männer und Frauen hielten sich die Waage. Sie wurden bei Anbruch der Nacht auf die Bühne geführt und den zischenden, brüllenden Ungeheuern überlassen.
Das hatte Frankenstein nur ein Mal mit eigenen Augen gesehen; danach hatte er Latour gegenüber darauf bestanden, dass sie in Zukunft erst viel später hingingen. Das abgrundtiefe Entsetzen, der hysterische, ungläubige Schrecken auf den Gesichtern der Opfer und das Knurren, Krallen und Beißen der Vampire, als sie sich um Favoriten zankten und stritten, war selbst für ihn zu viel gewesen.
Um diese Zeit, lange nach Mitternacht, waren die meisten Männer und Frauen schon tot, lagen verstümmelt, ausgesaugt und weggeworfen auf den Gängen des Theaters, hatten in ihren letzten Augenblicken Qualen erlitten, die sie unmöglich hatten verstehen können.
Frankenstein folgte Latour in den rückwärtigen Teil des Zuschauerraums zu einer fast unsichtbar in die Wand eingelassenen Tür. Ein Vampir in ebenso untadeliger Abendkleidung wie die anderen nickte ihnen respektvoll zu und hielt ihnen die Tür auf. Sie gingen hindurch und betraten das Allerheiligste der Fraternité de la Nuit.
Das Reich Lord Dantes, des Vampirkönigs von Paris.
26
Völlige Offenlegung
»Ich glaube, dass Valentin auch über Frankenstein mit mir sprechen will«, sagte Jamie. »Er scheint irgendwie mit meinem
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