Department 19 - Die Wiederkehr: Thriller (German Edition)
aber nicht, ob sie das wagen dürfte.
Ich führte sie in eine Ecke des Ballsaals, möglichst weit weg von den schlimmsten Szenen, legte die Arme um sie und verbarg sie so gut wie möglich, auch wenn ich die Schläge und Schreie nicht ausblenden konnte. So hielten wir aus, bis ungefähr eine Stunde vor Tagesanbruch die Türen aufgesperrt wurden. Nur Vampire verließen den Saal; alle anderen waren tot.
Ich führte sie hinaus, wobei ich den Blicken der anderen Ungeheuer auswich, und fühlte eine schreckliche Sekunde lang Alexandrus Blick auf mir, als wir im Gedränge das Haus seines Bruders verließen. Ich hielt den Kopf gesenkt und zwang mich dazu, nicht zu rennen, und dann waren wir draußen auf der West 85 th Street, und ich nahm die junge Frau an der Hand und rannte mit ihr in den Park, ohne mich noch mal umzusehen.
Wir versteckten uns im Norden des Parks in einem Abflussrohr und hielten dort aus, während wir auf den Sonnenuntergang warteten. In diesen langen Stunden erfuhren wir alles, was es voneinander zu wissen gab, und merkten, dass wir uns auf den ersten Blick verliebt hatten.
Sie war zwanzig, stammte aus einer Kleinstadt im Mittleren Westen. Sie war im Sommer in einem Ferienlager in den Catskill Mountains gewesen, als etwas sie im Wald überfallen und verwandelt hatte. Irgendwie überstand sie den ersten Heißhunger, auch wenn sie später nie darüber sprechen wollte, aber ihre Familie hielt sie für tot, und sie fürchtete sich davor, als Vampirin zurückzukehren. Ihr Vater, der Methodistenprediger war, hätte sicher geglaubt, seine Tochter sei vom Teufel besessen.
Also ließ sie sich nach Osten treiben und lernte in Boston einen alten Vampir kennen, der sie zu seiner Geliebten machte. Sie erzählte mir, was sie alles für ihn hatte tun müssen – wie sie damals ihren ersten Hunger gestillt hatte, blieb ihr einziges Geheimnis –, und ich war jahrelang entschlossen, ihn aufzuspüren und zu vernichten. Aber das wollte sie nicht, deshalb hab ich’s nie getan. Und weil er sie wegen der Party nach New York mitgenommen hatte, musste ich ihm eigentlich sogar dankbar sein; ich wäre ihr sonst sicher nie begegnet.
Wir warteten jedenfalls, bis die Sonne unterging, dann begannen wir unsere lange Flucht nach Westen. Sie wusste nicht, ob der alte Vampir versuchen würde, sie zu finden, und ich glaubte nicht, dass Alexandru auch nur einen Gedanken an mich verschwenden würde, aber ich konnte mir meiner Sache nicht sicher sein. Wir wanderten kreuz und quer durch den Mittleren Westen, zogen die Westküste hinauf und hinunter und ließen uns zuletzt in San Francisco nieder.«
Adam machte eine Pause. Als er Smith ansah, war sein Gesicht erhitzt, und in seinen Augenwinkeln standen Tränen. »Sie hat Emily geheißen«, sagte er, »und wir haben die folgenden zwanzig Jahre zusammengelebt.«
Smith saß allein auf der Bank, starrte über den Canyon hinaus. Adam hatte sich entschuldigt, um kurz hineinzugehen. Seine anstrengende Geschichte zu erzählen, hatte den Mann sichtlich mitgenommen, und Smith ahnte, dass noch Schlimmeres kommen würde.
Ein Teil meines Ichs will es nicht wissen. Ich will nicht wissen, weshalb Emily nicht hier bei ihm ist. Ich will nicht wissen, wie er geheilt worden ist. Ich will ihn nur in Ruhe lassen, ihm seine Erinnerungen lassen, die alles sind, was er noch besitzt. Aber ich muss es erfahren. Ich habe zu viel investiert, um jetzt einen Rückzieher zu machen.
»Entschuldigen Sie«, sagte Adam, als er um die Ecke kam und seinen Platz neben Smith wieder einnahm. »Ich habe diese Geschichte noch keinem erzählt, zumindest nicht freiwillig, und es fällt mir schwer. Viel schwerer als ich dachte.«
»Tut mir leid, dass ich Ihnen das nicht ersparen kann«, antwortete Smith. »Glauben Sie mir, ich täte’s nicht, wenn’s nicht wirklich wichtig wäre.«
»Das glaube ich Ihnen«, sagte Adam und rang sich ein Lächeln ab. »Und ich glaube, dass Sie recht haben, auch wenn ich nicht weiß, weshalb. Wo war ich also? In San Francisco, nicht wahr?«
Smith nickte, und Adam erzählte weiter.
»Im Mission District lebten wir zwanzig Jahre lang als Mann und Frau zusammen. Langweilige Nachtjobs, an sich ein fades Leben, aber wir hatten einander und waren glücklich. Wir ernährten uns von Blut, das wir bei einem Halal -Fleischer in der Castro Street kauften, gingen nicht viel unter Leute, lebten eigentlich wie jedes andere Paar. Aber im Lauf der Jahre begann Emily sich zu verändern.
Wie immer begann
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