Department 19 - Die Wiederkehr: Thriller (German Edition)
Graffiti hier. Los, wir müssen weiter!«
Ein, zwei Sekunden später folgten Kate und Larissa ihm. Als sie durch die Schwingtür zum Wohntrakt im ersten Stock gingen, ließ Larissa ein leises Knurren hören.
Jamie blieb sofort stehen. »Was gibt’s?«, fragte er.
»Blut«, antwortete sie mit vor Hunger heiserer Stimme. »Unmengen von Blut.«
»Bereitschaft eins«, sagte Jamie, und alle drei Agenten zogen ihre T-Bones. »Laut Einsatzregeln möglichst gefangen nehmen. Nur vernichten, wenn’s nicht anders geht.«
»Verstanden«, sagte Kate.
»Verstanden«, bestätigte auch Larissa. Von Ärger und kleinlicher Boshaftigkeit war in ihren Stimmen nichts mehr zu hören; sie waren bereit, ihre Pflicht zu tun.
Jamie ging durch die Tür voraus. Nach links und rechts erstreckte sich ein langer Korridor mit Türen auf beiden Seiten. Vor ihnen lagen der Empfang und das Stationszimmer, in dem hinter einem Schreibtisch eine tote Frau saß.
Ihre Gesichtszüge waren zu einer Maske des Schreckens erstarrt, und ihr weißer Kittel hatte sich mit Blut vollgesogen, das aus ihrer zerfetzten Kehle geströmt war. Sie war mit verrenkten Gliedern in unnatürlicher Haltung auf einem Plastikstuhl zusammengesackt, auf dem der Killer sie abgelegt hatte, als er mit ihr fertig war.
Kate löste den UV-Strahler vom Koppel, schaltete ihn ein und schwenkte das purpurrote Licht über das Gesicht der Nachtschwester.
Nichts passierte.
»Sie ist tot«, sagte Kate ruhig.
»Richtig«, bestätigte Jamie. »Kommt, wir müssen weiter.«
Das Team wandte sich auf dem Gang nach rechts und öffnete dort eine Tür nach der anderen. Die Zimmer dahinter waren kaum größer als Gefängniszellen mit Eisenbetten, auf denen dünne, stark fleckige Matratzen lagen, sowie unbequem aussehenden Plastiktischen und -stühlen, Waschbecken aus Edelstahl und stählernen Toiletten hinter fadenscheinigen Vorhängen, die offenbar eine Art Privatsphäre gewährleisten sollten. Die Fenster in den weiß gestrichenen Wänden saßen fast unter der Decke und waren von außen vergittert. Auf den Tischen mancher Zimmer standen Glückwünsche, kleine Zeichnungen und Grußkarten von Angehörigen und Freunden.
»Also, ich würde nicht wollen, dass meine Grandma hier endet«, sagte Kate, als sie einen Blick in das letzte Zimmer warfen. »Soll das eine menschenwürdige Unterbringung sein? Ich finde sie schrecklich!«
»Das finde ich auch«, stimmte Jamie zu. »Vielleicht wird man hierher geschickt, wenn man sich kein besseres Heim leisten kann. Und wenn man sich nicht mehr selbst versorgen kann.«
»Unsinn«, flüsterte Larissa heftig. »Hier bringt man Leute unter, um sie zu vergessen. Niemand würde jemals freiwillig in dieses Heim gehen. Ihre Angehörigen stecken sie hier rein, wenn sie anfangen lästig zu werden.«
»Jesus«, sagte Kate leise. »Wie kann man das einem Menschen antun, den man geliebt hat?«
Ihre Frage blieb unbeantwortet.
In dem letzten Zimmer sahen sie wieder ein grünes Graffito, das groß an eine der kahlen Wände gesprayt war, und eine anscheinend mit hohem Druck ausgetretene bogenförmige Blutspur, die sich über das schmale Bett mit dem dünnen Kissen zog. Der Bewohner oder die Bewohnerin dieses Raums war nirgends zu sehen.
»Kehrtmachen«, sagte Jamie; er ging auf den Korridor voraus und wieder zum Stationszimmer. »Das Gleiche noch mal.«
Auf dem linken Korridor fanden sie weitere Leichen.
Sie lagen verdreht auf unbequem aussehenden Betten, waren auf das kalte Linoleum gesackt oder quer über Tischen und Stühlen zusammengebrochen. Lauter alte Menschen von etwa Siebzigjährigen bis zu einem verschrumpelten zwergenhaften Greis, der mindestens neunzig sein musste. Sie alle trugen dünne Nachthemden oder Schlafanzüge; manche hatten Lesebrillen umgehängt; einige hatten kleine Empfänger neben dem Bett stehen, die noch auf Radio 4 eingestellt waren.
Ihnen allen war schreckliche Gewalt angetan worden. In den kahlen Zimmern warfen Neonröhren ihr unbarmherzig grelles Licht auf gebrochene Knochen, abgerissene Gliedmaßen, zerfetztes Fleisch und hervorquellende Eingeweide, und ließen das überall vergossene Blut grausig hell glänzen. Den Bewohnern des Pflegeheims Twilight, diesen Männern und Frauen, die Eltern und Großeltern waren, die von diesem Gemetzel, das über sie hereingebrochen war, offensichtlich überrascht worden waren und nicht hatten hoffen können, das Böse, das sie überwältigt hatte, begreifen zu können, war eine winzige Gnade
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