Depression: Erkennen, verhindern, bewältigen
Freunde und Angehörige: Lenken Sie das Thema eines Gesprächs ruhig einmal darauf, was dem Betroffenen alles wichtig ist und wie sinnvoll er seine Lebenssituation im Moment empfindet. Für Betroffene: Machen Sie sich klar, ob Sie vielleicht einen Wertekonflikt haben. Ein Beispiel könnte sein, dass Sie bei der Arbeit ein Produkt verkaufen sollen, von dem sie nicht überzeugt sind. Oder Sie sollen als Erzieherin Leistungen erbringen, ohne die dazu notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt zu bekommen. Vielleicht sind auch einige Werte aus Ihrer Vergangenheit nicht mehr zeitgemäß. Machen Sie sich klar, was Ihnen alles wichtig ist und was Ihnen etwas bedeutet, z. B. Familie, Religion, Gerechtigkeit, Freiheit usw. Fragen Sie sich ruhig, hinter welchen Werten Sie nicht mehr 100-prozentig stehen, welche aber noch aktuell sind. Was ergibt in Ihrem Leben noch Sinn und wie können Sie Ihr Leben umgestalten, damit es wieder sinnvoll wird? Allein schon das Nachdenken über diese Fragen kann hilfreiche Denkanstöße geben.
Selbstwertgefühl
Das Selbstwertgefühl sagt etwas darüber aus, ob man mit sich selbst im Reinen ist, ob man sich mag, oder nicht.
Jemand, der depressiv ist, wird sich z. B. nicht dafür mögen, dass er sich im Moment in der Depression befindet. Es kann frustrierend sein, wenn man vorübergehend von so vielen negativen Gefühlen oder Gedanken betroffen ist.
Für Angehörige und Freunde: Auch wenn es eine einfache Wahrheit ist, jeder Mensch hat Stärken und Schwächen. „Nobody is perfect.“ Wir sind auch okay, obwohl wir Schwächen haben. Sie können immer wieder versuchen, das dem Betroffenen zu vermitteln. Für Betroffene: Es ist okay, eine Depression durchzumachen. Das passiert ganz vielen Menschen. Es ist auch okay, Schwächen zu haben und nicht vollkommen zu sein. Arbeiten Sie einfach an sich und bemühen Sie sich, wieder gesund zu werden. Dann brauchen Sie sich auch keine Vorwürfe zu machen. Geben Sie sich ausreichend Zeit, wieder gesund zu werden. Setzen Sie sich nicht unter Druck. Machen Sie es einfach, so gut es geht.
Messlatte nicht zu hoch hängen, sich an Kleinigkeiten freuen, euthymes Erleben, Genuss
Glückliche Menschen scheinen sich mehr über Kleinigkeiten zu freuen. Sie hängen die Messlatte also nicht zu hoch. Wer seine Erwartungen zu hoch schraubt und auf das „große Glück“ (Lottogewinn, Traumprinz, das ultimative Auto usw.) wartet, wird leicht enttäuscht. Im „Happy Planet Index“ (eine Art Umfrage über Glück und Zufriedenheit in verschiedenen Ländern) kann man sehen, dass Menschen in reichen Industrieländern oft nicht so glücklich sind wie in ärmeren Ländern, obwohl sie viel mehr materiellen Besitz haben. Auch bei einer Depression wird die Heilung vielleicht zu schnell und möglichst sofort erwartet, statt sich über kleinere Erfolge zu freuen, also z. B. die Einleitung der Therapie, einen Therapeuten gefunden zu haben, bei dem die Chemie stimmt, wieder ein paar bessere Tage zu haben usw.
Für die Behandlung gilt also, sich auch über kleine Fortschritte zu freuen und kleine Alltagsfreuden wieder bewusst wahrzunehmen.
Der Verhaltenstherapeut Dr. Rainer Lutz von der Universität in Marburg hat dafür sieben Regeln aufgestellt:
Regel
Umsetzung
Genuss braucht Zeit.
Freiraum dafür planen.
Genuss muss erlaubt sein.
Einschränkende Erziehungsregeln ablegen.
Genuss geht nicht nebenbei.
Störungen ausschalten, z. B. Telefon.
Weniger ist mehr.
Nachhaltigkeit, keine Übertreibung, Qualität nicht Quantität, keine Sucht
Aussuchen, was einem gut tut.
Vorlieben und Abneigungen berücksichtigen.
Ohne Erfahrung kein Genuss.
Auch öfter mal etwas Neues ausprobieren.
Genuss ist alltäglich.
Es muss nichts „Außergewöhnliches“ sein.
Für Freunde und Angehörige: Sie können das Thema darauf lenken, ob sich der Betroffene trotz seiner Erkrankung auch ab und zu mal etwas gönnt und ob er sich bewusst Zeit nimmt für die schönen Dinge des Lebens. Die Depression soll dadurch nicht „bagatellisiert“ werden, sondern es geht vor allem darum, auch wieder die Graustufen im Leben wahrzunehmen, also nicht nur schwarz-weiß zu denken. Für Betroffene: Fragen Sie sich ruhig einmal, ob Sie die oben genannten Regeln berücksichtigen. Nehmen Sie sich Zeit und planen Sie bewusst kleinere Zufriedenheitserlebnisse, ohne sich dabei stören zu lassen. Probieren Sie auch mal etwas Neues aus, z. B. Sport. Sind Sie sich klar darüber, was Ihnen gut tut und was nicht? Und vor allem: Erlauben
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