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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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Schlampe beendete ihre Rede und der Polizeipräsident eröffnete das Buffet.
    Sofort summte ein Großteil der Gäste wie ein Schwarm Bienen auf das Spanferkel zu.
    Ich stand hinter Herta in der Schlange und wunderte mich über die zwei einsamen Lachshäppchen, die sich die Dicke auf ihren Teller legte. Möglicherweise war der Grund für ihre Zurückhaltung die türkisblaue Paillettenbluse, deren Knöpfe bis zum Zerreißen gespannt darum kämpften, ihre Oberweite unter Kontrolle zu halten.
    Am Ende der Fressmeile angekommen, reckte ich neugierig den Hals, um die Schlampe aus der Nähe zu betrachten.
    Sie ließ sich gerade inmitten einer Ansammlung von Anzugträgern zur Beförderung gratulieren. Die Männer in ihren Fräcken bewegten sich so steif wie Pinguine, die auf ihren Füßen ein Ei übers Eis balancierten.
    Als hätte die Schlampe meinen Blick gespürt, wandte sie sich um und fixierte mich. Warum interessierte die sich für mich? Konnte sie Gedanken lesen oder –?
    Ich sah mich um.
    Hinter mir stand Danner mit Verena Seifert-Staschek.
    Aha.
    Als die meisten Gäste das Essen beendet hatten, trat die Schlampe erneut ans Mikrofon und forderte zum Tanzen auf. Ein paar Damen in Glitzerkleidern hatten offensichtlich nur darauf gewartet, sich wild rockend auf die Tanzfläche werfen zu können.
    Die Schlampe und der Riese begannen, von Tisch zu Tisch zu gehen, um den wichtigsten Gästen persönlich die Hand zu schütteln.
    Staschek hockte sich zwischen Danner und mich: »Da du deinen Arsch mal wieder nicht hochkriegst, kann ich ja mit Lila tanzen, oder?«
    Ich wechselte einen schnellen Blick mit Stascheks Frau, doch die winkte lächelnd ab. Also ließ ich mich von Staschek zur Tanzfläche führen und er zog mich mit einem leichten Ruck in seine Arme.
    Echt männlich, Herr Kommissar, da fallen die Hühner sicher reihenweise auf den Rücken!
    Er konnte es sich nicht verkneifen, sich noch schnell die Haare aus der Stirn zu streichen: »Du kannst hoffentlich tanzen?«
    »Lenny, ich konnte schon tanzen, da hast du einen Wiener Walzer noch für einen übergewichtigen Ausländer gehalten.«
    »Na, das bezweifele ich doch sehr.«
    Seit ich denken konnte, hatte meine Mutter mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit gezwungen, mit nasebohrenden Anwaltssöhnchen zu tanzen. Vermutlich hatte ich die Tanzschritte eher beherrscht als den aufrechten Gang. Doch ich verzichtete darauf, Staschek zu widersprechen.
    Gerade hatte er irgendetwas zu mir gesagt.
    »Häh?«, fragte ich nach.
    »Sag brav ›Hallo‹. Mir zuliebe«, bat er und schenkte mir sicherheitshalber noch einen flehenden Dackelblick.
    Als ich mich umdrehte, stand die Schlampe vor mir.
    Reflexartig knipste ich mein allerschönstes Püppchenlächeln an.
    Sie lächelte püppchenhaft zurück.
    Von nah besehen sah sie älter aus. Vierzig, schätzte ich. Aber geil. Volle Lippen, große, dunkle Augen und kein Gramm zu viel auf den Hüften, denn ihre Glitzerrobe versteckte nichts.
    »Schön, dass du kommen konntest, Lenny!« Sie machte sich nicht die Mühe, die Lüge glaubhaft klingen zu lassen.
    »Und Sie begleiten Herrn Danner, richtig?«
    Gut aufgepasst, Klara.
    »Lila Ziegler, sehr erfreut.« Ich gab ihr die Hand. Ihre Finger waren kühl und dünn, ihr Griff aber kräftig.
    »Freut mich ebenfalls«, floskelte sie. »Und woher kennen Sie Herrn Danner? Oder kann ich davon ausgehen, dass er mal Ihren Exmann beschattet hat?«
    Ich spürte, dass sich Staschek neben mir anspannte.
    Klara verbot ihm mit einem eisigen Blick das Wort.
    Staschek gehorchte und schwieg.
    Ich war irritiert. Ich hatte erwartet, dass sie ihn gleichgültig, vielleicht etwas von oben herab behandeln würde. Aber sie hasste ja auch ihn. Er war doch nicht etwa auch mit ihr im Bett gewesen?
    Sie wartete auf meine Antwort.
    »Ich bin Mitarbeiterin in der Detektei von Herrn Danner.«
    »Tatsächlich? Wie ungewöhnlich. Arbeiten Sie schon lange in diesem Beruf?«
    »Ehrlich gesagt, nein. Ich verdiene mir neben meinem Studium etwas dazu.«
    »Ah, Sie studieren. Darf ich mal indiskret fragen, wie alt Sie sind?« Sie lächelte ein verschwörerisches Wir-Mädels-sind-ja-unter-uns-Lächeln.
    »Natürlich«, lächelte ich verschwörerisch zurück. »Solange die Drei nicht vorn steht, ist es ja noch nicht notwendig zu mogeln, nicht wahr?«
    Ihr Lächeln wurde etwas weniger privat.
    »Ich bin letzten Monat sechsundzwanzig geworden. Ich muss gestehen, ich habe mein Studium nicht ganz zügig angegangen.«
    »Möchte jemand

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