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Der 13. Engel

Der 13. Engel

Titel: Der 13. Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Borlik
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netten, äußerst neugierigen, aber etwas schüchternen Jungen kennengelernt. Jetzt war er das genaue Gegenteil: entschlossen und willensstark. Sie dachte an die vergangenen zwei Tage. Ohne Finn hätte sie diese nie durchgestanden. Er hatte ganz genau gewusst, woher er etwas zu essen und Kleidung für sie bekam. Es war, als ob er …
    »Wen haben wir denn hier?« Die Stimme war kalt und schneidend und erinnerte Amy sofort an Lucia. Nur gehörte sie einem Mann. Und er war nicht alleine. Bei ihm befand sich noch ein weiterer Herr. Mit ihren schwarzen, ölig schimmernden Haaren und den weiß gepuderten Gesichtern sahen sie nicht nur wie frisch aus dem Ei gepellt aus, sondern auch wie Zwillinge. Der Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, dass sie die gleichen vornehmen Anzüge trugen, über die sie schwarze Capes geworfen hatten, die der Herbstwind um ihre Schultern flattern ließ.
    »Was wollen Sie?«, fragte Amy erschrocken. Sie hatte eine schwache Erinnerung an die beiden. Das waren die Männer, die bei Lucia gewesen waren, als Amy sie das erste Mal in der Carrodsgasse gesehen hatte.
    »Hast du das gehört, Mr Greymore? Sie fragt uns, was wir von ihr wollen«, sagte der eine zum anderen.
    »Sie will uns wohl für dumm verkaufen, was, Mr Black?«
    Mr Black nickte. »Aber vielleicht ist sie auch gar nicht so schlau, wie alle meinen. Immerhin ist sie erst sieben Jahre alt.«
    »Elf«, zischte Amy. Was hatten die beiden vor?
    »Oh weh.« Mr Greymore gab sich beeindruckt. »Da ist uns ein grober Fehler unterlaufen, Mr Black.«
    Mr Black grinste. »Da hätten wir dich beinahe völlig unterschätzt, kleines Mädchen. Ich hoffe, du kannst uns das verzeihen.«
    Finn lehnte sich zu Amy herüber. »Gehören die auch …«
    Sie nickte.
    »Wärt ihr jetzt so freundlich, mit uns zu kommen?«, fragte Mr Greymore so höflich, als lade er sie zu einer Kutschfahrt durch die Stadt ein. »Oder müssen wir erst handgreiflich werden?«
    »Nicht, dass wir was dagegen hätten«, fügte Mr Black hinzu. »Lucia hat zwar gesagt, dass wir euch in einem Stück zu ihr schaffen sollen. Allerdings sagte sie nichts darüber, dass ihr noch beide Ohren oder alle zehn Finger haben müsst.« Ein Messer blitzte in seiner Rechten auf. »Wir verstehen uns?«
    Amy war blass geworden. »Das … das würden Sie nicht wagen. Hier sind überall Leute, die würden …«
    »… sich einen Dreck um zwei Lumpenkinder wie euch scheren«, beendete Mr Black den Satz. Er beugte sich zu Amy herab und legte den Kopf leicht schräg, während er sie wie ein interessantes Ausstellungsstück in der Auslage einer Vitrine musterte. »Ich würde vorschlagen, wir fangen mit ihrem linken Ohr an, Mr Greymore.«
    Amy wich entsetzt zurück.
    »Sieht so aus, als hättest du sie erschreckt, Mr Black. Also wirklich, schämen solltest du dich!« Mr Greymore schnalzte mit der Zunge. »Nun, was ist jetzt?«, fragte er ungeduldig. »Kommt ihr freiwillig mit oder muss Mr Black euch erst zeigen, wie gut er mit dem Messer umgehen kann?«
    Mr Black bedachte Amy mit einem hoffnungsvollen Lächeln.
    Die beiden sind ja völlig irre, dachte sie entsetzt. Plötzlich spürte sie Finns kalte Finger, die sich in ihre Hand schoben. Kämpfen oder aufgeben?, formten seine Lippen stumm.
    Amy starrte zu Mr Black auf, dessen linker Daumen so zärtlich über die Klinge seines Messers strich, als handele es sich um ein lebendiges Wesen. Sie verstärkte den Druck auf Finns Hand und sagte: »Ich bin bereit!« Dann trat sie Mr Black mit voller Wucht gegen das Schienbein, während Finn das Gleiche bei Mr Greymore tat.
    Sie liefen los, während die beiden Männer schmerzgepeinigt aufschrien.
    Finn zog Amy in die nächste Seitenstraße und keuchte: »Vielleicht können wir sie im Labyrinth der Hintergassen abhängen.«
    Doch hinter ihnen erschollen bereits die Schritte ihrer Verfolger.
    Inzwischen kam es Amy so vor, als hätte sie die letzten Tage nichts anderes getan als laufen, laufen, laufen … Gerade erst begannen die Blasen an ihren Füßen abzuklingen, da war sie schon wieder dabei, sich neue einzuhandeln.
    »Dort vorne sind sie, Mr Black«, erklang die schneidende Stimme von Mr Greymore hinter ihnen.
    Fieses Gelächter. »Erst die Ohren«, keuchte Mr Black. »Schnipp-schnapp … dann die Nasen und die Finger.«
    »Schneller«, raunte Finn. Seine Stimme vibrierte vor Panik.
    So sehr sie sich auch anstrengten, es gelang ihnen nicht, ihre Verfolger abzuhängen. Liefen sie schneller, erhöhten Mr Black und Mr

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