Der 13. Engel
kann ich nicht«, widersprach Amy hart. »Wissen Sie überhaupt, was wir wegen diesen Verrätern alles durchgemacht haben? Die wollten uns töten!«
Die Alte kniff die Lider zusammen. »Ihr ahnt nicht einmal, worum es wirklich geht – und wie solltet ihr auch?« Fluchend schüttelte sie den Kopf. »Ich hoffe, ihr habt durch diesen Vorfall endlich begriffen, dass Lucia jedes Mittel recht ist, um an ihr Ziel zu kommen. Wer ihr im Weg steht, bei dem kennt sie keine Gnade. Darum will Cornelius auch, dass du dich aus dieser Sache heraushältst.«
»Ich mache das doch nur für meinem Vater«, verteidigte sich Amy.
»Mag sein, aber würde er wollen, dass du für ihn dein Leben und das deines Freundes riskierst? Oh, Amy, durch deine Einmischung hast du dir nichts als Ärger eingehandelt. Wie Streuner haben sie euch durch die Straßen gejagt und diese Jagd ist längst noch nicht zu Ende.«
Amy musterte sie mit verdutzter Miene. »Woher wissen Sie …?«
»Wir haben unsere Augen und Ohren überall. Genauso wie die Gegenseite«, fiel ihr die Alte keifend ins Wort. »Und nun verschwindet! Cornelius hat keine Zeit für euch, basta!«
»Aber …« Amy versuchte den Kloß herunterzuschlucken, der sich in ihrem Hals gebildet hatte. »Ich … ich glaube das nicht. Cornelius ist nicht so. Wenn er wüsste, dass wir in Not sind, würde er uns ganz bestimmt helfen.«
»Wie kannst du dir so sicher sein, du kennst ihn doch kaum.« Die Alte holte keuchend Luft, als wäre die Aufregung über Amys Dickköpfigkeit zu viel für sie. »Du hättest dich von Anfang an raushalten sollen. Genauso, wie er es gesagt hat. Und nun geht, bevor ihr noch erkannt werdet.«
»Haben Sie ihr nicht richtig zugehört? Diese Lucia ist verrückt, absolut wahnsinnig. Sie will uns UMBRIN-GEN!« Finn hatte so laut gesprochen, dass einige Passanten sich neugierig zu der kleinen Gruppe umdrehten. »Das kann Ihnen doch nicht egal sein«, fügte er etwas leiser hinzu.
»Was schreist du so, ich bin schließlich nicht taub«, grunzte die Alte. »Und es ist mir nicht egal, was aus euch wird. Es ist nur so, dass ich nichts für euch tun kann. Die Verschwörer sind auch hinter uns her. Mehr noch als hinter euch. Bei uns wärt ihr daher in noch viel größerer Gefahr.«
Amy ergriff den Arm der alten Frau. »Was sollen wir dann tun?«
»Haltet euch versteckt, so, wie ihr es bisher getan habt. Unternehmt nichts, was euch in Gefahr bringen könnte. Und lasst euch nicht eher wieder blicken, bis alles vorbei ist.«
»Und wenn sie uns vorher finden?«, warf Finn ärgerlich ein.
Die Alte hob drohend den Zeigefinger, ließ ihn dann jedoch wieder sinken und seufzte. »Dieses Risiko besteht. Allerdings könnt ihr es gering halten, wenn ihr macht, was ich euch gesagt habe.«
»Das ist alles?«, fragte Finn bitter. »Wir sollen uns also verstecken, ja? Darauf wären wir alleine bestimmt nicht gekommen.«
»Was hast du erwartet? Dass ich nur mit den Fingern zu schnippen brauche, um euch eine Armee aus Zauberern zur Seite zu stellen, die Lucia für euch in Grund und Boden stampft?« Sie schüttelte gereizt den Kopf. Dann beugte sie sich plötzlich mit eindringlichem Blick zu ihnen vor. »Hört auf mich, Kinder! Und haltet euch von den Verschwörern fern. Besonders von Lucia. Oh, ihr wisst nicht, wer sie wirklich ist! Einst war sie schön wie der Morgenstern. In gewisser Weise ist sie es immer noch, doch heute ist ihre Schönheit nur mehr äußerlich. Kalt ist ihr Herz geworden, wie das Licht der Sterne. Und das macht sie gefährlicher als alle anderen.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Amy, die eine Chance witterte, mehr über die Frau mit dem Porzellangesicht zu erfahren.
Die Alte zögerte, als wäre sie mit sich selber am Hadern, dann sagte sie schließlich: »Es ist ihr Hass, vor dem ihr euch hüten müsst. Hass kennt keine Grenzen! Lucias Macht hingegen ist gleichzeitig auch ihre größte Schwäche. Sie kann toten Dingen Leben einhauchen und sie für ihre Zwecke einsetzen. Denkt an den Wasserspeier! Aber diese Macht hat ihren Preis: Sie kann euch nicht direkt angreifen. Nicht ein Haar könnte sie euch krümmen, wenn ihr vor ihr stündet. Und darum braucht sie auch Lord Winterhall und deine Tante, Amy. Sie müssen für sie die Dinge erledigen, zu denen sie selber nicht fähig ist: anderen Leid und Schmerz zuzufügen. Nur deshalb hat sie sich mit den beiden zusammengetan.«
Amy schüttelte den Kopf. Das wollte ihr nicht einleuchten. »Der Wasserspeier hätte uns beinahe
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