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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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deutscher Herstellung. Die Deutschen hatten nicht nur den Affen erfunden, sondern auch den Luxus. Im Schlafzimmer und im Salon standen Telefone. Im Badezimmer spiegelte Marmor das Licht der Kristallleuchten.
    Das Telefon im Salon klingelte. Grujewitsch zögerte einen Augenblick, dann hob er ab. Es war Schellenberg. Ob er ihn in der Suite besuchen dürfe.
    Schellenberg klopfte leicht an der Tür, Grujewitsch ließ ihn ein.
    »Ich hoffe, die Unterbringung entspricht Ihren Wünschen«, sagte Schellenberg.
    »Durchaus«, erwiderte Grujewitsch. Er wollte sich nicht allzu dankbar zeigen.
    »Der Reichsführer lädt Sie für heute Abend zu einem Essen ein, im kleinen Kreis, hier im Hotel. Der Reichskanzler wird auch dazustoßen, rein informell natürlich, Sie verstehen?«
    Grujewitsch nickte. Er begriff, die Deutschen hatte es eilig. Sie hätten lieber Berija in Berlin, sie mussten sich mit ihm als Emissär abfinden, sie taten es souverän. Als wäre er ein hoher Repräsentant Moskaus und nicht der Laufbursche des Staatssicherheitsministers.
    Das Abendessen würde aufregend werden, keine Frage. Er hatte Angst, Fehler zu machen oder etwas zu tun, was ihm hinterher als Fehler ausgelegt werden könnte. Er fürchtete den Kontakt zum Reichskanzler Goerdeler, dem nachgesagt wurde, er sei ein sturer Bock und doch zu schwach, um gegen Himmler zu bestehen. Es war ein bisschen wie in Moskau. Die Mächtigen rangelten um die Macht, um noch mächtiger zu werden. Nur währte der Kampf in Deutschland schon seit 1944. Trotzdem ging es aufwärts, Grujewitsch sah es mit eigenen Augen. Himmler und Goerdeler hatten sich einigermaßen arrangiert. Was nicht bedeutete, dass nicht beide einen Fehler des anderen mit Vergnügen nutzen würden, um die eigene Position zu stärken. Heute Abend hatte Grujewitsch es mit beiden zu tun.
    ***
    »Wir müssen alle seine Bekannten und Verwandten abklappern«, sagte Krause. »Wenn er es schafft, nach Deutschland hineinzukommen, dann wird er wahrscheinlich bei jemandem unterschlüpfen. Stellen Sie eine Liste zusammen. Alle, die darauf stehen, werden überwacht, Tag und Nacht. Ist das klar?«
    Warum hält er mich für blöd, aber nicht für blöd genug, Werdin zu jagen?, fragte sich Gottlieb. Der Mann steht unter Strom, normalerweise ist er ein ausgeglichener Geselle und beleidigt seine Mitarbeiter nicht. »Jawoll, Gruppenführer!«, sagte Gottlieb zackig.
    Krause guckte ihn verwundert an, dann begriff er. »Ich hab’s nicht so gemeint, Gottlieb.« Er bot ihm eine Zigarette an, eine Chesterfield, die man auf krummen Wegen über Holland besorgen konnte. Die Glimmstängel kosteten viel Geld auf dem schwarzen Markt.
    »Hatte Werdin eine Freundin in Berlin oder sonst irgendwo im Reich?«
    »Keine Ahnung«, sagte Gottlieb. »Da war lange vor seiner Flucht eine Frau irgendwo in Lankwitz. Die hat ein paar Mal in der Dienststelle angerufen, daher weiß ich das. Aber die Anrufe hörten auf. Und dann gab es natürlich noch diese Mellenscheidt.«
    »Na klar«, sagte Krause nachdenklich und ließ seine Blicke durchs Zimmer schweifen. Er betrachtete das Porträt von Heydrich, das seit dessen Ermordung an der Wand neben der Tür hing. Was hättest du gemacht, Reinhard Heydrich?, fragte er in Gedanken. Aber Heydrich schwieg.
    »Fritz wäre eine Chance gewesen, Werdin zu fangen. Aber der ist längst tot. Und Weißgerber? Ach, an den können Sie sich nicht erinnern, das war eine Gestapoaktion. Der Weißgerber war einer von der Kommune, der hat Fritz verpfiffen, nachdem wir ein bisschen nachgeholfen haben. So ist das mit den Herren der Kommune, wenn man ihnen auf die Pelle rückt.«
    »Ich habe gleich nach der Flucht Nachbarn und Kameraden ausgequetscht, zu Werdin ist niemandem was eingefallen. Ein freundlicher Zeitgenosse, dem Vaterland treu ergeben und auch dem Führer, als es noch darauf ankam. Keine einzige Bemerkung, die nur annähernd darauf schließen ließ, Werdin habe was gegen uns.«
    »Genau das hätte uns früher misstrauisch machen müssen«, sagte Krause vehement. »Kennen Sie einen Kameraden, der nicht mal geflucht hat auf alles, was uns heilig ist? Aufs Vaterland, auf den Führer, auf den Reichsführer und meinetwegen auch auf Schellenberg? Ich verrate Ihnen das geheimste Geheimnis der SS, ich habe auch schon geflucht. Sie fragen, auf wen oder was? Auf alle und alles. Nie Zweifel gehabt, Gottlieb? Nicht, als die Russen uns zu Klump gehauen haben, immer rückwärts seit Kursk? Nicht, als die Westalliierten in

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