Der 21. Juli
es schon immer gewusst haben. Aber ich kann beweisen, dass sie gar nichts gewusst haben.« Hass ergriff Berija. »Diese Nichtsnutze. Sie waren gerade gut genug, ein Stückchen Holz zu apportieren, wenn es Stalin beliebte. Was haben sie denn geleistet. >Ja, Genosse Stalin<, >Natürlich, Genosse Stalin<, >Selbstverständlich, Genosse Stalin<. Boris Michailowitsch, schauen Sie sich doch einmal diesen Chruschtschow an. Ein dummer Bauer.« Berija zischte den Namen. »Wissen Sie, was der Irre will?«
Grujewitsch fühlte sich schlecht. Er schüttelte den Kopf.
»Er will, dass wir Stalin, den großen Stalin, kritisieren! Kritisieren! Kritisieren! Das hat er gesagt, der Bauer! Stellen Sie sich das vor, Boris Michailowitsch! Kritisieren!« Berija stand auf und begann im Zimmer umherzulaufen. Wütend stapften seine Stiefel auf den kostbaren Teppich. Er streckte sein Kinn nach vorn, auf der Stirnglatze schlug eine Ader. Berijas Stimme bekam etwas Kreischendes. »Chruschtschow faselt über die Opfer, die die Sowjetmenschen im Krieg bringen mussten. Warum sagt er nichts zu seinen Opfern? Oder sind etwa nicht Millionen von ukrainischen Bauern verreckt, als Chruschtschow Sekretär der ukrainischen Parteiorganisation war? Waren das keine Sowjetmenschen?« Berija stampfte mit dem Stiefel auf. »Kritisieren will er! Ich habe doch immer gesagt, dass Jagoda ein Versager war, ein gut getarnter immerhin, er konnte eine Zeit lang sogar den Genossen Stalin täuschen. Stellen Sie sich vor, Millionen ließ der Staatssicherheitsminister umbringen, aber die wirklich gefährlichen Feinde, Verschwörer und Intriganten wie Chruschtschow, die hat er nicht entlarvt. Und als Stalin mich zu Jagodas Nachfolger berief, da verdrückte sich Chruschtschow in die Ukraine. Er wusste, ich würde ihn festnageln. Und dann kam der Krieg.« Erschöpft ließ sich Berija in den Sessel sinken.
Grujewitsch war verblüfft. So offen hatte Berija noch nie gesprochen in seiner Gegenwart. Es war ein Vertrauensbeweis.
Was hatte er mit Himmler beredet? Was immer es gewesen sein mochte, es erfüllte Berija mit der Entschlossenheit, seine Konkurrenten in der Partei offen anzugreifen. Und das tat der kluge Stratege nur, wenn er sich des Sieges sicher war. Er hatte lange laviert nach Stalins Tod. Die Dinge mussten heranreifen. Aber ohne die deutsche Karte wäre es nicht so weit gekommen.
»Boris Michailowitsch, ich möchte, dass Sie mein persönlicher Adjutant werden. Sie sollen der engste Mitarbeiter des neuen Generalsekretärs der KPdSU werden. Und der wird Lawrentij Pawlowitsch Berija heißen.«
Grujewitsch schüttelte es innerlich. »Jawohl, Genosse Berija.« Er war im siebten Himmel und in der Hölle zugleich. Was für eine Beförderung, Ruhm und Ehre. Was für eine Gefahr, so tief verstrickt zu werden in den Machtkampf in Moskau.
»Ach ja, Reichsführer Himmler hat mir einen Entwurf gegeben für einen Freundschaftsvertrag zwischen der Sowjetunion und Deutschland. Sie sollten als mein engster Mitarbeiter bald einen Blick hineinwerfen. Sagen Sie mir, was Sie davon halten.«
»Jawohl, Genosse Berija.«
»Übrigens werden wir unsere Gespräche nicht in Berlin weiterführen, sondern auf der Wewelsburg. Sie wissen, was das ist?«
»Ja, Genosse Berija. Die Wewelsburg ist das ideologische Zentrum der SS.«
Berija lachte. »So könnten wir Kommunisten es nennen. Himmler nennt es seine Ordensburg.«
Grujewitsch nickte. »Wann fahren wir dorthin, Genosse Berija?«
»Morgen Vormittag werden unsere deutschen Freunde uns zur Wewelsburg bringen. Ich bin schon gespannt. Wir bleiben dort einen Tag, dann fliegen wir zurück nach Moskau. Das
Flugzeug wartet in Paderborn auf uns. Die Genossen im Präsidium werden staunen.«
***
Schmitt Photographien Photoapparate stand über dem breiten Schaufenster. Werdin wartete pünktlich zur Öffnungszeit um acht Uhr dreißig vor der Tür. Er hatte sich für Zivilkleidung entschieden, in der SD-Uniform fühlte er sich unwohl. Durch das spiegelnde Glas sah er eine junge Frau. Sie drehte das Schild an der Tür um, Geöffnet zeigte es nun. Dann steckte sie einen Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. Werdin betrat das Geschäft, die junge Frau lächelte ihn traurig an: »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich suche Herrn Schmitt«, sagte Werdin.
»Mein Vater ist vorgestern gestorben«, sagte die junge Frau.
Schweigen.
»Das tut mir Leid«, sagte Werdin.
»Danke«, erwiderte die junge Frau. »Sein Leiden ist zu Ende.«
»Ja«, sagte
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