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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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geschafft. Sie hetzten ihn erst übers freie Feld, dann ging es unter Stacheldraht weiter, während ein Maschinengewehr scharfe Salven über ihre Köpfe schickte. Danach überwanden sie Steilwände, und wenn Werdin dachte, er habe die letzte überklettert, folgte eine weitere, höher noch als die vorhergehende, an der letzten hatten Glasscherben ihm die Hose aufgerissen. Die Jäger trieben ihn in eine Röhre, das Licht am anderen Ende nahm er nur als Schimmer wahr. Ratten quietschten, als er durch den Schlamm robbte. Hinter ihm wurde geschossen. Der Röhre folgte ein See, den er durchschwamm, und diesem eine steile Felswand, an der er sich die Hände zerriss. Am Start gaben sie ihm eine Minute Vorsprung, am Ziel hatte er seinen Verfolgern fast eine weitere Minute abgenommen. Er sah in den Augen seiner Ausbilder, dass sie zufrieden waren mit ihm, geradezu erstaunt über die Kraft, Ausdauer und Geschicklichkeit, die Werdin nach acht Wochen härtesten Trainings bewies.
    Er grinste in sich hinein. Die Amis haben immer noch nicht begriffen, dass deutsche Soldaten eine gute Ausbildung genossen, am besten war sie in der WaffenSS. Dort wurde weniger exerziert, dafür wurden die Soldaten zu Kämpfern gedrillt. Werdins Körper erinnerte sich an die Ausbildung in Deutschland, Bewegungsabläufe und Überlebenstricks meldeten sich schon nach wenigen Tagen zurück. Seine Ausbilder gaben ihm auf sein Verlangen eine Walther P 38, und er schoss achtmal die Zehn in Serie.
    Sie unterrichteten ihn über die Lage in Deutschland, das meiste war ihm nicht neu. Das autokratische System dort stützte sich auf die Nationale Versöhnung, die Ende Juli 1944 besiegelt worden war. Die Kriegsschäden in Deutschland waren längst nicht alle behoben, aber die Industrie boomte. Die Wehrmacht hatte eine Friedensstärke von eineinhalb Millionen Mann, in der SS dienten haupt-und ehrenamtlich zwei Millionen Deutsche. Die militärischen Einheiten der WaffenSS, die formal unter dem Kommando der Wehrmachtführung standen, waren aufgestockt worden durch die Totenkopfverbände, die einst die Häftlinge der Konzentrations-und Vernichtungslager gequält und ermordet hatten. Die Presse wurde offiziell nicht zensiert, nachdem sie sich zusammen mit dem Rundfunk und den Buchverlagen zur Nationalen Versöhnung bekannt hatte. Journalisten, die dem Ansehen Deutschlands schadeten, wurden vor Gericht gestellt. Der 1944 getötete Führer wurde in den Schulbüchern und staatlichen Deklarationen in zwei Personen geteilt: den Führer, der Deutschland zur nationalen Größe geführt hatte, und den Führer, der den Fehler begangen hatte, sich mit allen Großmächten gleichzeitig anzulegen, der die Ermordung der Juden betrieben und gegen den Widerstand von großen Teilen der Partei und der SS durchgepeitscht hatte. Seine wenigen Helfer waren entweder geflohen wie GestapoMüller oder zum Tod verurteilt und geköpft worden wie Adolf Eichmann, der Chef des Gestapo-Judenreferats. Hitlers Tod am 20. Juli 1944 rettete Deutschland vor dem Untergang. Denn nun konnten alle Kräfte freigesetzt werden, das Vaterland zu verteidigen.
    Eine Lebensmittelrationierung gab es nicht mehr, das würde es Werdin erleichtern, sich durchzuschlagen. Allerdings wurden nach wie vor alle Verkehrsknotenpunkte scharf bewacht, besonders Flughäfen und Bahnhöfe.
    Die SS schürte die Angst vor Spionage und Sabotage, um ihre Stärke und das harte Vorgehen gegen Oppositionelle zu rechtfertigen. Die Deutschlandexperten der CIA glaubten, dass die SS sogar Anschläge durchführte, um die Angst der Menschen vor Feinden wach zu halten. Obwohl es 1944 versprochen worden war, gab es auf Reichsebene keine Parteien neben der NSDAP. In Städten und Gemeinden wurden Wahlgemeinschaften gebildet. Ihre Programme befassten sich mit Gegebenheiten in ihrem Umfeld, nicht mit nationaler oder internationaler Politik. Die Dorf-und Stadtversammlungen wählten aus ihren Reihen die Gauversammlungen und diese wieder die Nationalversammlung. Der 1944 zum Reichskanzler ernannte und seitdem von der Nationalversammlung immer wieder bestätigte Carl Friedrich Goerdeler hatte sich für den Ständestaat stark gemacht und seine Forderungen weitgehend durchgesetzt. Allerdings durfte die Regierung nicht in die SS hineinreden. Dieser unterstanden Polizei, Geheimdienste, Grenzschutz und die WaffenSS. Wenn Werdin seinen Auftrag erfüllen wollte, musste er seine alten Kameraden an der Nase herumführen. Reichspräsident war Hermann Göring, Hitlers

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